Hundsköpfe - Roman
gleichzeitig den Anblick der Mädchen, die über den Waldboden kugelten, sich an den Haaren rissen, bespuckten und kniffen. Schließlich war die Stimmung in den verhexten Wäldern so gespannt, daß Segelohr anfing, sich heim nach Bergen zu träumen. Er gähnte beim Anblick seiner wilden Traummädchen, stöhnte, wenn ihre Haarbüschel ihm um die Ohren flogen, und als die Brünette ihn eines Nachts weckte und aufforderte, in Richtung des Regenbogens zu gehen, der sich über die Himmelswölbung zog, gehorchte er, ohne sich umzusehen.
»Laß die Baumgeister nicht durch dich hindurchgehen«, flüsterte sie und fügte hinzu, bevor er zwischen den Bäumen verschwand:
» UND AUCH DIE ANDERE NICHT! «
Segelohr folgte dem Regenbogen, und als das Gelände sich zu ändern begann und er in die wundersame Welt der Stubbenwälder kam, fühlte er sich wieder wie ein Prinz mit einer kosmischen Vision von einem goldenen Regenbogenkrug. Er ging aus den Stubbenwäldern in die Straßen der Stadt; die Einwohner schliefen hinter dunklen Scheiben, aber als er etwas später vor einem Fenster stehenblieb, an dem der Regenbogen endete, entdeckte er zu seiner großen Enttäuschung, daß dort überhaupt kein Krug stand.
»Verdammt noch mal«, murmelte er, öffnete das Fenster, krabbelte hinein und legte sich in sein Bett, noch bevor es den Vettern, die im selben Zimmer schliefen, gelang, das übrige Haus zu alarmieren.
Wie mit manch anderen Dingen auch, versuchte Bjørk das Verschwinden des Sohnes vor ihrem Mann zu verheimlichen. Sie hoffte, Segelohr würde wiederauftauchen, und so verging über eine Woche, bis Bjørk ihrem Mann in einem Telegramm von der Situation berichtete. Am darauffolgenden Tag sah man an der örtlichen Busstation einen ernsten Mann, der einen Papagei auf der Schulter trug. Er sprach mit niemandem, sah niemandem in die Augen und fragte nur ein einziges Mal nach dem Weg, bevor er zu seinem Koffer griff und sich zum Haus des Sägewerkdirektors aufmachte. »Zum Teufel«, sagte er, als die Tür geöffnet wurde, »er ist doch wohl nicht zur See gegangen?«
»Natürlich nicht«, rief Bjørk, »er ist doch noch ein Kind!«
Askild quartierte sich im Gästezimmer ein, befleißigte sich eines oberflächlichen, höflichen Umgangstons, in dem er sich mit der ganzen Familie unterhielt, und bestand darauf, die Leitung der Nachforschungen zu übernehmen, was sich vor allem für die Waldarbeiter, die jeden Tag in die Wälder fuhren, um nach dem verschwundenen Neffen ihres Chefs zu suchen, als eine Prüfung erweisen sollte. Er trieb sie zum Wahnsinn mit seiner Besserwisserei, strapazierte ihre Geduld, indem er akribische Systeme durchsetzte, nach denen sie den Wald planmäßig zu durchsuchen hatten, und schnell hatte er den Ruf weg, weniger logisch zu sein, als er vorgab, und ganz offensichtlich war er nie zuvor in Nordland gewesen. Mit den Wochen verging ihm die Besserwisserei, oft saß er stundenlang auf der Pritsche des Wagens und starrte mit leerem Blick in die Luft, und eine beunruhigende Blässe begann sein Gesicht zu überziehen, bis er eines frühen Morgens von seinen beiden Neffen geweckt wurde, die im Schlafanzug ins Gästezimmer stürmten. »Er liegt im Bett!« schrien sie.
Askild stürzte ins Zimmer der Neffen, und Bjørk, die ihren Mann seit dem Nachmittag im Jahr 1945, als Mutter Randi ihm im Wohnzimmer auf Skansen Wiegenlieder vorsang, nicht mehr hatte weinen sehen, blieb in der Tür stehen. Ein wenig erschrocken vom Anblick ihres Mannes und voller Schuldgefühle, die sie seither nicht wieder verlassen sollten, beim Anblick ihres schlafenden Sohnes, der sich in einer bedauernswerten Verfassung befand. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß der Sohn weder verborgene Wunden noch größere Schrammen hatte, konnte sie sich nur noch darüber wundern, daß seine Kleidung – abgesehen davon, daß sie zerlumpt und verdreckt war – ihm viel zu klein geworden war und sich der dunkle Schatten, der seine Oberlippe zierte, nicht mit Wasser abwaschen ließ.
Segelohr schlief drei Tage und redete irre, während die letzten Schatten der Baumgeister an seiner Netzhaut vorüberzogen, und als er endlich aufwachte, guckte der ältere Vetter ihn an und sagte: »Haben wir nicht gesagt, du sollst die Finger von diesen Pilzen lassen?«
Am selben Abend rief Askild seine Ehefrau ins Gästezimmer, und bei zwei Tassen Kaffee begannen sie, über eine heimliche Übereinkunft zu verhandeln, die sich nach anderthalb Stunden auf zwei
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