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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Bedingungen von Askilds und eine von Bjørks Seite beschränkte: Du triffst Thor nicht mehr, und du ziehst mit, wo immer ich auch das nächste Mal eine Arbeit bekomme , lauteten Askilds Forderungen. Du vergreifst dich nie mehr an den Kindern , war Bjørks Bedingung, und am folgenden Tag sah man an der Bushaltestelle wieder einen ernsten Mann, der einen Papagei auf der Schulter trug. Diesmal wirkte er ein wenig ungeduldig, denn er hatte viel zu erledigen: Lohnverhandlungen, Karten für die Fähre, Vereinbarungen mit der Umzugsfirma, einen Bußgang bei einer weinerlichen Mutter Randi und familiäre Verhandlungen mit Appelkopp, der ganz verrückt darauf war, das kubistische Haus zu übernehmen. Als alles geregelt war, schrieb er einen knappen Brief an Bjørk, in dem er ihr seine Zukunftspläne erläuterte. Der Brief war ausgesprochen sachlich, doch kurz bevor er ihn in den Umschlag steckte, konnte er sich doch nicht beherrschen.
    »Kopf hoch«, schrieb er zum Schluß. »Wie Grafen und Baronen wird es uns in Dänemark gehen.«

5
    Mit einer Augenbinde auf dem Fahrrad
    G espenster?« sagt Stinne und schaut mich skeptisch an. »Verhexte Wälder? Worauf willst du eigentlich hinaus?«
    Daß die Kindheit ein magisches Universum enthalten kann, will sie mir noch zugestehen, aber eine Pubertätskrise getarnt als Psilocybinpilztrip und Ururgroßvater Rasmus als Plaudergeist erscheinen ihr trotz allem doch ziemlich weit hergeholt. »Außerdem hast du dir nie etwas aus diesen Geschichten gemacht, und nun kannst du plötzlich von nichts anderem mehr reden«, fügt sie noch hinzu.
    Ist mir schon klar. Ich mische Farben und ziehe im Gästezimmer eine Leinwand auf. Ich habe das Gefühl, als würden die Geschichten mir langsam die Macht nehmen. Sie treiben mich voran, zu meiner eigenen Geburt und zu Motiven, von denen ich nicht weiß, ob ich ihnen schon in die Augen sehen kann. Ich klatsche noch ein paar Farben auf die Leinwand, im Gästezimmer herrscht inzwischen ein heilloses Durcheinander, und kurz darauf kommen die beiden Kinder von Stinne herein, um sich die neuesten Werke anzusehen. »Ist das ein Hundekopf?« fragt der Ältere und zeigt auf die Leinwand, die ich an die Wand gehängt habe. Mitten auf der Stirn hat er mit einem Gummiband eine künstliche Nase befestigt, in der Hand hält er ein Schwert, an dem er nervös herumnestelt.
    »Nein«, antworte ich. »Den habe ich noch nicht gemalt.«
    »Och«, sagt er und guckt enttäuscht auf die Leinwand, »ich will einen Hundekopf sehen!«
    Ich weiß nicht, warum Stinnes Kinder solch ein Interesse an Hundeköpfen haben. Mir gegenüber erwähnt sie die Hundsköpfe immer mit einer gewissen Scham, aber offenbar hat sie den Kindern Geschichten von ihrem Onkel erzählt, der als Junge Angst vor den Hundsköpfen unter der Treppe hatte, vor der Dunkelheit und einer Menge anderer Dinge. Und möglicherweise unterscheidet sich ihr Interesse an Hundsköpfen gar nicht so sehr von meinem Interesse für Jamaika, damals, als Knut zu Besuch kam. Jedenfalls fordert mein ältester Neffe noch immer einen Hundekopf von mir, bis ihn der jüngere mit eine Wasserpistole ins Auge schießt. »Das ist meine Nase!« schreit er, und im nächsten Augenblick wälzen sich die beiden zwischen Blendrahmen und Farbtuben am Boden.
    »Schluß jetzt«, ruft Stinne, »ihr seid wohl verrückt geworden! Ab ins Bett.« Sie zerrt sie aus dem Gästezimmer, und kurz darauf höre ich aus dem ersten Stock ihr Gutenachtlied. Als sie eine Stunde später mit einer Flasche Wein zurückkommt, macht sie einen entspannteren Eindruck.
    »Das sieht ziemlich gut aus«, sagt sie und reicht mir ein Glas. Mit einem herausfordernden Lächeln auf den Lippen kommt sie zur Sache: »Wieso kannst du dich nicht mal losreißen, wieso gehst du nicht mal raus und amüsierst dich ein bißchen?« Sie hätte ebensogut fragen können: Wieso suchst du dir nicht ein Mädchen  – seit meiner Pubertät bin ich in regelmäßigen Abständen mit den immer gleichen, peinlichen Fragen konfrontiert. Natürlich gab es Mädchen, und natürlich habe ich meine Erfahrungen, obwohl es einige Zeit dauerte. Ich war einfach nicht so schnell wie andere. Lange hatte ich geglaubt, mein zurückhaltendes Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht läge an einer besonderen Empfindsamkeit, ebenso wie ich davon überzeugt war, daß ich aufgrund dieser Empfindsamkeit meine Angst vor der Dunkelheit bis über die Pubertät hinaus und bis ins Erwachsenendasein hinein nicht verlor. Nun

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