Hundsköpfe - Roman
daraufhin ihre Untersuchungen fort. Sie schaute unters Bett, wo sie jedoch nichts anderes fand als Staubflusen. Sie warf einen raschen Blick in den Schrank, der nur das Übliche enthielt, öffnete dann eine Schublade des Nachttisches und zog in dem Moment, als Segelohr sich mit der Zuckerdose in der Tür zeigte, einen unerklärlichen weißen Bekleidungsgegenstand hervor.
»Was!« rief sie und starrte auf das Diebesgut. »Das ist doch Mutters Höschen! Was macht das denn hier!«
Entsetzt ließ Segelohr die Zuckerdose fallen, und eine Sekunde später rannte das vierzehnjährige Mädchen mit einem Blick an ihm vorbei, in dem nichts anderes lag als Verachtung. Noch verbissener als zuvor setzte sie sich neben ihre Mutter aufs Sofa und sagte kein einziges Wort, bis sie sich verabschiedeten.
Als die Gäste fort waren, blieb Bjørk mit dem Eindruck zurück, daß irgend etwas schiefgegangen war, und sie verstand nicht, was um alles in der Welt ihr Sohn in dieser übellaunigen Göre sah. Segelohr hingegen saß mit dem Gefühl da, eine Katastrophe erlebt zu haben, und gegen Abend stellte er fest, daß die Gardinen in Mariannes Zimmer entgegen ihrer Gewohnheit zugezogen waren. Er stellte das Teleskop ein, mußte sich aber mit dem seltsamen Schattenspiel begnügen, das sich hinter den weißen Gardinen abzeichnete.
In der folgenden Zeit wurde Segelohr immer blasser. Bjørk begann, seine wahnsinnigen Fahrradkunststücke regelrecht zu vermissen, und sogar Askild bemerkte, daß der Bursche abwesend und apathisch schien. Ein paar Wochen später paßte Marianne Qvist ihn auf der Straße ab; ohne ihn anzusehen, überreichte sie ihm einen Brief und blieb stehen, um seine Reaktion abzuwarten. In dem Brief standen lediglich sieben Wörter – Hast du wirklich geglaubt, es wären meine? –, bei Segelohr löste sich der Kloß im Hals, und sein gesamtes heimliches Wissen brach aus ihm heraus: daß sie es mochte, am Rücken gestreichelt zu werden, daß sie ziemlich viel Zeit damit verbrachte, ein ganz bestimmtes Lächeln zu üben, und daß sie den grünen Teddy besonders gern mochte. »Ich habe festgestellt«, sagte er, »daß du den häßlichsten Teddy am liebsten hast.«
Während dieser ganze Suada – gut zwei Jahre heimliches nächtliches Beobachten quollen aus seinem Mund – konnte man auf dem Nyboværftsvej eine überraschte Mädchengestalt sehen, deren Lächeln immer breiter wurde, bis er den grünen Teddy erwähnte.
»Spanner!« schrie sie auf einmal und erbleichte. »Perverses Schwein!«
Einen Moment später rannte sie die Straße hinunter und verschwand, forderte ihn nicht zu weiteren Fahrrad-Stunts auf, erklärte ihren Bekannten, daß er genauso dumm wäre wie der Papagei seines Vaters, und stellte vierzehn Tage später ein Schild auf ihre Fensterbank, auf dem stand: Du solltest besser den Mund halten, was machst du eigentlich mit Mutters Höschen!
Ich habe es weggeschmissen , schrieb Segelohr auf ein Schild auf seiner Fensterbank, Entschuldigung .
Daraufhin ließ sich der Radartist erneut auf dem Nyboværftsvej beobachten, und Bjørk verstand nicht, wie sie jemals diesen beunruhigenden Anblick des fünfzehnjährigen Niels junior Segelohr vermissen konnte, der sich von der Nachbarstochter ein schwarzes Tuch vor die Augen binden ließ, bevor er in rasendem Tempo wie ein Kamikazepilot die Straßen hinunterschlingerte, während Marianne hinterherlief, um ihn um die parkenden Autos zu dirigieren. Nein, mit bebendem Herzen mußte Bjørk einsehen, daß sich nicht alle Mädchen mit süßen Worten, Höflichkeit, Herzlichkeit und so weiter zufriedengaben. Im Gegenteil, die Tochter des Schmieds ermunterte ihn zu immer halsbrecherischen Nummern, und Großmutter meinte tatsächlich, ein lüsternes Lächeln über ihr Gesicht gleiten zu sehen, wenn der Sohn gehorchte … Dumm wie ein Brett, gehorsam wie ein Hund und verrückt wie ein Pubertierender , dachte Bjørk. Marianne gefielen Segelohrs Kunststücke. Sie empfand einen besonderen Genuß am Halsbrecherischen, und schon bald hatte sie ihm die wahnsinnige Idee eingeflüstert, mit einer Binde vor den Augen quer durch Ålborg zu fahren. Jedenfalls war Großmutter überzeugt, daß Marianne auf diese Idee gekommen war – laut Großmutter zwang sie ihn mehr oder weniger dazu, obwohl sie vermutlich eher so eine Art Katalysator dieses großen Projektes gewesen ist.
Es war der dritte Sommer in Ålborg, und wenn die Liebenden, wie Knut angefangen hatte sie zu nennen, keine neuen
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