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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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mit einem rosaroten Kleid, weißen Kniestrümpfen, Lackschuhen und einer, gelinde gesagt, lächerlichen Schleife im Haar. Was Karen viele Jahre lang versucht hatte, gelang dem Schmied sozusagen innerhalb eines Tages. Marianne fühlte sich von ihrem Vater verraten, und in den nächsten paar Jahren war es nahezu Haß, der aus ihren ehemals so bewundernden Augen leuchtete.
    Mit der Zeit gewöhnte sie sich jedoch an ihre neue Identität und begann nach und nach, ihre Bewunderung auf die Mutter zu übertragen, die ihr beibrachte, Kleider für ihre Puppen zu nähen. Karen war überzeugt, daß die Fürsorge für Puppen und Stofftiere die weiblichen Instinkte der Tochter wecken könnte, und daher überschüttete sie das Mädchen mit einem wahren Gabenregen, der nun nach und nach ihr Zimmer füllte. Nur einen abgewetzten alten Teddy, verfärbt durch allerlei Begegnungen mit den Dreckpfützen der Straße und einem schwachen Geruch nach Fisch, versuchte Karen manchmal wegzuwerfen. Dies war der grüne Teddy – auch Zigeuner-Hans genannt –, von dem sich Marianne auf keinen Fall trennen mochte, als ob sie sich auf diese Weise an den letzten Rest ihrer alten Identität klammerte. Doch im übrigen vergaß sie schon bald das befriedigende Gefühl, einen Fisch der Länge nach aufzuschneiden, sie vergaß die Segnungen der Dreckpfützen und ihre Lust, in den nahen Wäldern umherzustreifen. Zurück blieb mit der Zeit nur eine schwache Erinnerung, daß sie einmal auf dem höchsten Ast der enormen Ulme gestanden hatte und wie ein Affe im Wind hin- und hergeschaukelt war.
    Als sie sich der Pubertät näherte, eroberte sie Neuland auf dem weiblichen Terrain und entdeckte, daß Schleifen und Lackschuhe ihr eine andere und eher subtile Form der Macht ermöglichten, als den höchsten Baum im Garten zu bezwingen. Im Takt mit der Entwicklung ihres Körpers an ausgewählten Stellen, stellte sie fest, daß die Jungen auf ihre weißen Kniestrümpfe starrten und sie auch den vorlautesten Burschen dazu bringen konnte, den Mund zu halten, wenn sie ihr blondes Haar locker zur Seite warf. Es wurde ihr klar, daß sie tatsächlich eine Anziehungskraft besaß, als hätte sie plötzlich ein magischer Zauberstab gestreift. Da sie aber gleichzeitig begriff, daß jede Zauberkunst auf einem Fundament aus Handwerk basiert, begann sie abends, neue Techniken einzuüben: Lächeln, Blicke und Schmollmunde, während ihr durch den Kopf ging: Hier komme ich, Marianne Qvist, haltet die Hüte und Brillen fest!
    Es war also nicht die allgemeine Unsicherheit, von der die Pubertät sonst gekennzeichnet ist, mit anderen Worten, es verlief bei Familie Qvist am Nyboværftsvej ziemlich problemlos – bis Marianne eines Tages ein Auge auf einen fahrradfahrenden Bergaffen warf, der vor ihrem Fenster Leib und Leben riskierte. Es dauerte nicht lange, und sie erschien jedesmal auf der Straße, wenn er mit seinen halsbrecherischen Nummern begann. Einen Augenblick damit beschäftigt, ihre neuesten Waffen auszuprobieren, Blicke, Lächeln, Schmollmund, im nächsten Moment jedoch mit aller Kraft zurück zu der Begeisterung für das Wagemutige ihrer früheren Kindertage, so daß sie Lust bekam, ihre Haarschleife und die Lackschuhe fortzuwerfen und selbst auf das Fahrrad zu steigen. Diese neue Begeisterung beunruhigte sie. Mutter und Tochter fingen an, sich wieder zu streiten, und der Schmied begann, nach seiner Teilnahme an Segelohrs Geburtstagsfest, ein gewisses Interesse an den Zugezogenen zu entwickeln, die seiner Meinung nach etwas Zigeunerartiges an sich hatten, so wie sie ihr ganzes Leben von Ort zu Ort gezogen waren, und dann beginnt er, verdammt noch mal , dachte Karen ziemlich erregt, wieder über dieses Scheißgrönland zu quatschen, was soll ich denn da oben, ich verwelke, ich sterbe vor Kälte .
    An einem Herbsttag des Jahres 1962 führte Segelohr seine lang geplante Fahrradfahrt durch Ålborg mit einer Binde vor den Augen durch. Weder Askilds Drohungen, Bjørks Bitten oder der lächerliche Brief von Mutter Randi konnten ihn daran hindern, und hinter ihm fuhr Marianne Qvist, um ihn um eilige Autos, spielende Kinder und unaufmerksame Fußgänger zu dirigieren. Er stürzte nur ein einziges Mal und kam rasch wieder auf die Beine. »Du darfst das Tuch nicht abnehmen!« rief Marianne, einen eventuellen Sturz hatte er in der Planung jedoch bedacht, so daß er sich mit seinen aufgeschürften Handflächen lediglich die Hosenbeine abbürstete und wieder aufs Rad stieg, um das

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