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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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fortwährend aufzustehen und im Zimmer umherzugehen, so daß Sowtschick sich zu einer Musterung ihres Körpers herausgefordert sah. Vorhin war ihm das Bübische reizvoll erschienen, nun, da er sie von hinten sah, bemerkte er den unentschlossenen Herrenschnitt ihrer Frisur und, aus der dunkelblauen Polobluse hervorstehend, ein Wäscheetikett. Jahrelang hatte sie sich einen Bandwurm gehalten, um recht viel essen zu können, das fiel Sowtschick in diesem Augenblick ein.

    Im Grunde gut, daß es zu nichts gekommen ist, dachte er. Er hatte Lust, sie zu treten, wie die wohl in die Ecke flöge, dachte er. Er würde sie beim Haar packen und ihr als Iwan der Schreckliche den Kopf auf die Dielen stoßen, immer wieder. Schließlich sah er sich gar auf dem Gipfel eines Berges stehen, die Zappelnde über sich gestemmt, um sie King-Kong-artig in den Abgrund zu schleudern.

    «Was sagst du, Liebes?»

    Es war erst halb vier, noch konnte er sich nicht entfernen. Da ist guter Rat teuer, dachte er, und er hatte keine Ahnung, was nun werden sollte.

    Ob die Baupolizei nicht doch noch eines Tages nach der Baugenehmigung fragt? Und dann wird hier womöglich alles abgerissen? Dies wurde erörtert, und dann folgte die Beschreibung einer Kollision auf dem Parkplatz von KAR-STADT, daß sie beim Zurücksetzen ein Auto gestreift habe und daß sie kurz entschlossen weggefahren sei. Ob so was bestraft wird? Fahrerflucht?

    Sowtschick sagte: «Da hätten die viel zu tun.» Wenn man kleine Kinder überfährt, das sei was anderes, aber eine Schramme ? Ob die Schramme groß gewesen und ob nicht vielleicht noch mehr kaputtgegangen sei? fragte er. Worauf Carola «jein» sagte. Möglicherweise habe es auch eine Beule gegeben, aber nur eine ganz kleine …

    Wann denn das gewesen sei? Schon vier Wochen her. Nein, da könne sie ganz ruhig sein, da komme nichts mehr. «Da hätten die viel zu tun.»

    Sowtschick wunderte sich, daß sie in einem Warenhaus kaufte, das hätte er nicht von ihr gedacht. Wo man da doch so saumäßig bedient wird, und außerdem machten die Warenhäuser alle kleinen Läden kaputt? Dort kaufe sie wohl die Spülmittel fürs Geschirr und die Sprays, die auf dem Klo stehen? Ob sie schon mal an die Ozonschicht gedacht habe? Sie müsse sich nicht wundern, wenn die Elbe eines Tages über die Deiche flute wegen Abschmelzung der Polkappen …

    Er griff in die Innentasche seiner Jacke, wo der Porno steckte, und zog das Manuskript des Azubis heraus: «Ich will dir mal was Lustiges vorlesen», sagte er und nannte den Text einen «Quark», den er natürlich sofort wegschmeiße – von so was werde er überschwemmt. Und er fing an, mit launiger Betonung die Prosa des jungen Mannes vorzulesen, die Geschichte einer Vorstadt-Kneipen-Liebe, die keineswegs lustig war, im Gegenteil. Carola brauchte gar nicht erst zu sagen: «Na, hör mal, das ist aber doch ganz gut …?» Das merkte er selbst, und Neid und Bewunderung keimten in ihm auf, und er hatte zu tun, das Manuskript verschwinden zu lassen. Rasch redete er wieder von seinen beiden Mädchen, was die für tolle Körper hätten, das Löwenheckerchen zart, die andere voller und kräftig wie eine Kanalschwimmerin. Ihm fiel auch Erika ein, und er erzählte vom Herumbalgen und daß dieses etwas dämliche Kind sonderbarerweise auch seine Reize habe. Wie ein herumstrolchendes amerikanisches Farmerkind sehe es aus …

    «Und deine Frau, wie geht’s der?» fragte daraufhin Carola und verwies es ihm, von «Sozialfall» zu reden, und damit war dann der Besuch beendet.

    «Bis in Bälde!» Das war die Grußformel, die Sowtschick zum Abschluß wählte, und der Kuß roch diesmal wie ein lange nicht gewechselter, eitriger Verband.

    Sowtschick reihte sich in den Touristenstrom ein und ging an der Elbe entlang. Er stieß wilde Verwünschungen aus, Worte von einer Derbheit, wie sie ihm keine seiner Leserinnen zugetraut hätte. Nie wieder! schwor er sich, werde er diese dumme Kuh besuchen, nie! Und er fragte sich, wieso es ihm nicht gelang, im Großraum Hamburg jemanden zu finden, mit dem er sich ohne Skrupel über seine Bücher unterhalten könnte, und wenn es Zeit wäre, zu den Dingen der Liebe übergehen, ohne mit Nachrichten über «Großreinemachen» gestoppt zu werden.

    In Sassenholz verhandelte zu dieser Zeit Adelheid mit einem jungen Mann, der seine Gedichte wiederhaben wollte. Schon zwei Monate lägen die bei Sowtschick, der rühre sich überhaupt nicht. Es gelang ihr, ihn milde zu stimmen. Bei Kaffee

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