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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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noch warmen, dampfenden Eingeweiden in der Hand.

    Sowtschick verkniff sich einen Hinweis auf den Mord-Atlas. Er überlegte bereits, wie er es anstellen könnte, daß sie hier zur Sache kämen: Vielleicht würde es ja diesmal klappen.

    Nach Honigbroten, Kaffee und Cognac wurde das Geschirr in die «Kombüse» geräumt und sogleich gespült, weil Carola es gern ordentlich hatte. Sowtschick übernahm hierbei das Abtrocknen, wobei er seiner Freundin vor Augen führte, wie schädlich das Spülmittel sei, das ins Grundwasser sickere, und in zehn Jahren ist alles im Eimer.

    Das fand Carola, die Öko-Sachen nur dann kaufte, wenn ihre eigene Gesundheit davon abhing, nun gar nicht. Mit irgendwas muß man ja spülen, und wenn das so schädlich wär, dann hätte man das doch längst verboten – wo die doch jetzt so aufpassen!

    In der engen Kombüse kam es dann zu Wegschubsungen. Mit den Hüften stießen sie aneinander, und Sowtschick drückte sie in die Ecke.

    «Wenn du nicht gleich damit aufhörst, mach ich dir einen Fettfleck aufs Hemd», sagte Carola, wodurch erst mal wieder Ruhe eintrat.

    Das Geschirr wurde weggeräumt, und dann kam die Streitpatience an die Reihe, die Sowtschick haßte. Draußen blitzten die Schweißapparate, da glitten kantige Containerschiffe auf der Kloaken-Elbe dahin, von kundigen Lotsen durch die Fahrrinne bugsiert, und drinnen spielten die beiden Streitpatience, und Sowtschick verlor, wie immer. Beide gerieten über diesem Spiel in Hitze, was in eine kleine Rangelei ausartete. Als Sowtschick seine Freundin wie zum Spaß auf die Couch werfen wollte, damit er seinem Ziele näherkäme, kehrte Carola jedoch Unnahbarkeit heraus und redete von «Großreinemachen», womit sie auf einen speziellen Zustand ihres Unterleibs anspielte.

    Fudge! dachte Sowtschick und zog die Krawatte fest. Ernüchterung trat ein.

    Carola konstatierte, sich das Haar richtend, daß Sowtschick lange nicht im Fernsehen zu sehen gewesen sei – «Wo hast du denn die Kette mit dem Ankerchen?» – und fragte, ob er die Zügel schleifen und die Dinge etwa treiben läßt? Neulich hätte sie eine Freundin getroffen, die habe noch nie etwas von ihm gehört, geschweige denn gelesen.

    Du bist eine dumme Kuh, dachte Sowtschick ziemlich laut, und es stand für ihn fest, daß sie sein nächstes Buch auf keinen Fall kriegen würde.

    Er ging auf die Toilette. Auf dem Spülbecken stand ein desinfizierter Trichter, den sollte Sowtschick beim Pinkeln benutzen, damit das Becken nicht so vollspritzt. Das tat er natürlich nicht, sondern er trieb mit dem Dings allerhand Jokus. Tagcreme und Nachtcreme, Wimperntusche und die verschiedensten Sprays in den unterschiedlichsten Größen – dieser Frau war nicht beizukommen. Im Spiegel betrachtete er die Strieme am Hals, dunkelrot, fast blau. Dies ist ein Mal, dachte er, Kain, wo ist dein Bruder Abel?

    Durch das kleine vergitterte Fenster konnte er auf den Elbwanderweg sehen, auf dem sich ein Strom von Touristen vorüberschob, Menschen, die auch alle den silbrig blinkenden Kloaken-Fluß betrachten wollten und die Containerschiffe: ganze Familien mit Oma und Hund, sowie zur Gesundheit entschlossene Radfahrer, die sich klingelnd durch die im Kurschritt dahinschlurfende Menge schlängelten.

    Während Sowtschick durch das kleine vergitterte Klofenster blickte, blätterte drinnen Carola in ihrem roten Adreßbuch und überlegte, wen sie anrufen kann, wenn Sowtschick gegangen ist. Klaus Issen war wieder mal dran, mit dem könnte sie vielleicht heut abend das Serenadenkonzert im Rathaus besuchen. Ja, Klaus Issen, das wär nicht schlecht.

    Nachdem sich Sowtschick lange genug die Menschen angesehen hatte, ging er wieder hinein, und während Carola sagte, sie habe schon gedacht, er sei ins Klo gefallen, und weitere Menschen aufzählte, die noch nie etwas von ihm gehört, geschweige denn gelesen hätten, und ihm den Autor Holderbusch empfahl, jetzt in aller Munde, weil das einer sei, der mitten im Leben steht und Stellung bezieht zu den Dingen, die uns alle angehen, suchte er das winzige Bücherbord, von dem ein Trockenblumengesteck herunterhing, mit Gewürznelken, Zierpfeffer und winzigen silbernen Perlen, nach den Büchern ab, die er ihr geschenkt hatte. Da standen sie zwischen Solschenizyn und Theodor Storm mit handgeschriebenen, allmählich kürzer werdenden Widmungen, und sie sahen verdammt ungelesen aus.

    Während des sich dahinschleppenden Gesprächs – «hast du was» – fiel es Carola ein,

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