Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
Aussicht auf die graue, in der Sonne silbrig blinkende Elbe.

    Carola kochte einen ganz ausgezeichneten Kaffee, nächste Stufe Liebigs Fleischextrakt. Auch der Cognac war gut, der stammte allerdings aus einer Flasche, die Sowtschick selbst hier deponiert hatte.

    Während sich der goldene Nektar aus der Aktion Dritte-Welt-Handel auf das Butterbrot ringelte, erzählte Sowtschick seiner Freundin, daß er jetzt im Hochsommer an einem Buch sitzt, in dem es einem Schriftsteller einfällt, im tiefsten Winter eine Sommererzählung zu schreiben.

    Carola sagte Aha! und spielte mit ihren englischen Vorsteckringen, und dann fiel es ihr ein, von einer Freundin zu berichten, bei der man eine Zyste am Eierstock diagnostiziert habe: daß Eiter ausfließt und daß man es riecht.

    Sowtschick wies auf die Schwierigkeiten hin, die das Schreiben von Büchern bereitet. Den Autor könne man sich als einen Kapitän vorstellen, der für Ladung, Treibstoff und Verpflegung sorgt, die Maschine muß funktionieren, und mit dem Sextanten kommt auch nicht jeder klar. Er lese grade ein Buch, das heiße «Unternehmen Cerberus» …

    Bevor er von den stählernen Kolossen berichten konnte, die mit 160 000 PS auf die Meerenge von Calais zustampfen, griff Carola sich an die linke Brust und sagte, sie habe das Gefühl, daß hier ein Knoten wär … Und Kaffee – vielleicht sollte man lieber nur Tee trinken? Bei jedem Schluck Kaffee habe sie den Eindruck, daß sich Teerstoffe in ihrer Magenwand festkrallten.

    «Wie wär’s, wenn wir das Thema wechselten?» fragte Sowtschick und lachte, und Carola lachte auch.

    Er holte die drei länglichen Päckchen mit den Kriegsschiffen aus der Tasche, in denen Carola goldene Armbänder vermuten mochte, packte sie aus, stellte sie aufs Fensterbrett und erklärte ihr, wo bei der «Scharnhorst» die Kanonen sitzen und was das für eine Wucht sei, wenn so ein Kriegsschiff seine drei Geschütztürme gleichzeitig abfeuert.

    Carola schenkte inzwischen Kaffee nach.

    Der Inder, die beiden Mädchen und die Senioren: der Strom der in Beige und Grün gekleideten Menschen, der sich in sein Haus und durch es hindurch ergossen hatte, und zwischen den Menschen hindurchrudernd die beiden spärlich bekleideten Mädchen.

    Von Apahasi Singh zeigte Sowtschick Fotos, und er berichtete von dessen Nahrungs-und Lebensgewohnheiten: kein Vegetarier, Turban, Haare lang und Schwert. Huhn mit gebratener Banane, geröstete Erdnüsse, Reis. Dann machte er vor, wie der Inder, die Füße auf der Zeitschrift «Form», süße geistige Getränke zu sich genommen hatte. Er wundere sich, sagte er, daß er bei so was nicht gleich mit der Faust auf den Tisch schlägt, sondern einem solchen Menschen sogar noch nach dem Munde redet. Das sei wieder mal typisch für ihn, er neige eben zur Kapitulanz, gebe immer gleich auf, anstatt sich durchzusetzen. Das wär sein Fehler.

    Die Erwähnung des Inders brachte Carola zunächst auf Dieter, ihren ehemaligen Mann, daß der die Inder als «klebrig» bezeichnet hatte. Dann kam sie darauf, ihre chinesische Heilgymnastik vorzuführen. «Auf dem Pferd sitzen und mit Pfeil und Bogen die Wildgans schießen.» Sie stellte sich mitten in das kleine Zimmer und wedelte mit den Armen. Dann legte sie Hand an Sowtschick, um ihm spezielle aus dem fünften Jahrhundert nach Christus stammende Tricks zur Gesunderhaltung der Muskulatur zu zeigen. Sowtschick hatte Mühe, sie von den fernöstlichen Bewegungsweisheiten abzubringen.

    Nun war er wieder an der Reihe: die beiden Mädchen, unverschämt jung! Die seien natürlich völlig auf ihn fixiert. Die Fernsehabende und das Gewitter mit dem anschließenden «Nachtlager zu Granada».

    Er erging sich in Andeutungen über Tolles, das er da täglich erlebe, gash danged. Das heißt nicht Tolles, sondern unendlich Zartes. All das, was er noch zu erleben hoffte, malte er seiner Freundin aus, und die war baff …

    «Aber dauernd Eier!» sagte er und biß in das Honigbrot. «Senfeier, Spiegeleier, Omelette … Man möchte doch gern mal ein Steak zwischen die Zähne kriegen oder wenigstens ’ne Frikadelle …»

    Bei der Erwähnung von Fleisch kamen in Carola quälende Erinnerungen an einen Schlachtergesellen hoch, der ihr als Kind warme, noch dampfende Eingeweide unter die Nase gehalten hatte, zu Hause, wo ansonsten alles so schön gewesen war. Hand in Hand sei sie mit ihrer Schwester über eine blumige Wiese gelaufen, da habe plötzlich der Schlachtergeselle vor ihnen gestanden mit

Weitere Kostenlose Bücher