Hundstage
sich und legten die Beine auf eine Bank. Auch die Hunde sprangen dazu, eng lagen sie beieinander und sahen ins Feuer. Unheimlich war ihnen zumute, und sie reichten einander die Hand, und so schliefen sie ein.
D ie Sache war noch nicht vom Tisch. Als Sowtschick sich am nächsten Morgen am glühenden Rot des Johannisbeergelees erquicken wollte und sich innerlich einstellte auf den Winterroman – die «Flut»-Novelle mußte weitergeführt, das «Frost»-Gedicht gedichtet werden –, kamen allerlei Anfragen. In das Sextett von Dvořák hinein schrillte das Telefon, und eine sehr amtliche Stimme, offenbar die eines höheren Polizeibeamten, stellte Fragen, die eigentlich so recht keinen Sinn hatten. Sowtschick mußte Auskünfte erteilen, die die Sache nicht weiterbrachten und für ihn weder be-noch entlastend waren, lediglich aufstörend. So wollte der Beamte unbedingt wissen, wo Sowtschick die Kette gekauft hat. Datum, und wieso einen Anker? Vielleicht existiere da ja noch eine Quittung? Auch mußte er «der Ordnung halber» exakt angeben, von wann bis wann er was an dem fraglichen Tag in Hamburg gemacht habe. Spielzeugladen, wieso? Buchhandlung, warum? Porno-Shop, aha!
Die Adresse von Carola Schade mußte er beibringen, höchst prekär! Was sollte Carola von einer polizeilichen Nachfrage halten? Das Haus ohne rechte Genehmigung gebaut, und dann die Sache mit der Fahrerflucht?
Die amtlichen Störungen wurden noch übertroffen von einer männlichen Stimme am Telefon, heiser verstellt, die ihn bellend einen Mörder nannte. Die Kreatur stellte die Frage, ob es Spaß gemacht habe, das Mädchen zu vögeln? Ja? Und er solle bloß aufpassen, ihm, Sowtschick, würde der Schwanz schon noch abgeschnitten werden, und zwar mit einem Rasenmäher!
Sehr unangenehm war die Berichterstattung über den Sassenholzer Mordfall im «Kreuzthaler Tageblatt». Ermittlungen waren da skizziert in Fettdruck. In diesen Meldungen, die allesamt der Journalist «E. B.» verfaßt hatte, wurde auch Sowtschick erwähnt, mit Bild und vollem Namen. Im «Globus» schrieb Lucinde Pechel, der er vor Jahren einmal ein Interview für die Zeitschrift «Rote Faust» verweigert hatte, über Biedermänner, die ein bewegteres Privatleben haben, als man denkt. Von dieser Zeitung bekam er auch die Mitteilung, er solle sich mit dem Parteien-Artikel ruhig Zeit lassen. Eigentlich brauchten sie den überhaupt nicht mehr …
Das Telefon klingelte den ganzen Tag. Die City-Buchhandlung sagte seine Lesung «einstweilen» ab, Hessenberg, gar nicht vergnüglich, wollte wissen, was ihm denn um Gottes willen einfalle, einen solchen Verdacht zu provozieren, das sei ja gespenstisch! Michael in Stuttgart, eben aus Kenia zurück, fragte an, ob er kommen soll? Susi in Bieseritz hingegen bat um das Kästchen im rechten Schrank, oben links, ob er ihr das schicken könne? Die hatte keine Ahnung von den Schwierigkeiten ihres Vaters.
Dauernd läutete das Telefon, Adelheid und Gabriele hatten alle Hände voll zu tun, die Leute von der Yellow-Press abzuwimmeln.
«Nein, Interviews werden keine gegeben, Herr Sowtschick ist überhaupt nicht da.»
Das Wort «Zicken-Machen» fiel, sie sollten mal keine Zikken machen, und Sowtschick wurde ein «Macker» genannt. Sie sollten ihrem Macker bestellen, sie kämen mal rum!
Eine weinerliche Teilzeit-Journalistin – geschieden, zwei Kinder, krebskranke Mutter – heulte, sie hätte jetzt eine Chance, wenn sie einen Bericht über Sowtschick liefere, dann werde sie ins Angestelltenverhältnis übernommen.
Die Illustrierte «Boulevard» erbat sogar Exklusivrechte, sie würden ihm «hundert» zahlen, wenn er unschuldig und «zweihundert», wenn er schuldig wär.
Auch im Dorf veränderte sich manches. Die Kaufmannsfrau, sonst nicht zu sehen im Laden, kam extra nach vorn, um die Mädchen in Augenschein zu nehmen. «Ihr armen Dinger. » Ob sie Hunger hätten, ja? «Kriegt ihr überhaupt was zu essen bei dem Kerl?»
Die Mülleimerleute klingelten an der Tür, obwohl der Eimer doch groß und breit an der Straße stand. Sie guckten an Adelheid vorbei in die Halle hinein, als ob da geschlachtete Menschen hingen. Der Vater von Erika, der Jahr für Jahr mit Hosen, Mützen und sogar einem Moped versorgt worden war, drohte mit der Axt in Richtung Sowtschick. Über eine geöffnete Bierflasche hinweg stieß er Flüche aus, daß Sowtschick eine Drecksau ist.
Die Mofa-Jünglinge lungerten, um etliche Typen vermehrt, stundenlang vor dem Tor herum,
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