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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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ohne die Maschinen abzustellen. Mit leeren Bierdosen warfen sie nach den Gartenleuchten, und keiner mochte hinausgehen und ihnen das verbieten.

    Die Pferdemädchen kamen nicht mehr, um sich mit hochgestellten Schenkeln in die Lotterecke zu fläzen und sich Videos anzusehen. Denen hatte man das um Gottes willen untersagt. Der Vater wußte von Schwimmbadorgien zu berichten!

    Als Sowtschick am Nachmittag die Allee auf und ab ging, kam der Jäger Budweis geschritten, mit einem Gewehr, und schoß ein harmloses Kaninchen tot, das auf Sowtschicks Grund und Boden Sowtschicks Löwenzahn schmauste.

    Bin ich denn vogelfrei? dachte Alexander, als der Mann, ohne zu grüßen, über den Zaun stieg, sich die Beute holte, dem noch zappelnden Tier einen Handkantenschlag in den Nacken gab, ausspuckte und davonging.

    Die Mädchen hielten treu zu ihm. Sie packten die Telefone unter Kissen und zogen die Rollos herunter. Sie räumten auch ein wenig auf, brachten Grund in die Sache: das Fahrrad in der Halle, die Schallplatten in der Küche, und wie war das eigentlich mit den auf den Sesseln herumliegenden Hunden? Mußten die nicht auch mal wieder gefüttert werden?

    Sowtschick hatte an all dem keinen Anteil. Er setzte sich in die Fluchtburg, die nun bereits zur Hälfte mit Gittern gesichert war. Eben wollte er am Barock-Sekretär den Kopf in den Händen vergraben, da erschien einer der Schlosser draußen am Fenster und brachte ein weiteres Gitter an.

    Auch hier wird keine Rast geschenkt, dachte Sowtschick und stieg hinauf in das Zimmer seiner Frau. Hier würde er nicht gestört werden, hier waren keine Gitter anzubringen, hier gab es auch kein Telefon.

    Er legte sich auf das frauliche Bett. Marianne – wo mochte sie stecken? – Isle de Camps? Wie komisch, daß man sie überhaupt nicht erreichen konnte. Auf Mariannes Nachtschrank stand sein eigenes Foto, den Mantelkragen hochgestellt. Es war dasselbe Foto, das sich auch in Erikas Höhle befand. Er sah darauf so aus, wie Marianne wollte, daß er aussah, Ski und Rodeln gut. Der Fünfziger-Jahre-Wecker stand auf halb sieben, und ein Korallenarmband lag daneben.

    Der Schmuck! Alexander nahm das Schmuckkästchen auf die Knie und öffnete es andächtig. Die große Bernsteinkette lag obenauf, von Parfum ruiniert. Ahrenshoop, da war es wieder, Heidehonig auf Bauernbrot. Die Mutter hatte Angst gehabt, daß er zu weit hinausruderte auf die See, die gleichgültig winzigste Wellen an den Strand sendete.

    Die Flußperlenkette, die Silber-Angelegenheit aus Mexiko, die Blumengemme, die keine Gemme war, sondern eine Kamee. In den Schlitzen einer mit Samt überzogenen Pappe steckten die Ringe, ein kleiner Brillant, zwei englische Vorsteckringe und der Mondsteinring. Zu jedem Stück gab es eine Geschichte, und Sowtschick repetierte die Stories wie ein Lochkartenband in der Karussellorgel. Das Armband, das auf dem Bootssteg nicht in die Ritze gefallen war, das Tütchen mit den Black-Stars, in Indien gekauft, und zwar in einem Hinterzimmer. Felsenfest waren sie davon überzeugt gewesen, daß der Inder sie betrog, aber nein, sie hatten sich getäuscht. Im Gegenteil! Der Juwelier in Bremen hatte die Brauen hochgezogen und gefragt, ob sie bald mal wieder nach Indien führen?

    Ganz unten in dem Schmuckkästchen lag ein Armband, das Sowtschick gut kannte, es schnitt ihm ins Herz! Eine unsymmetrische Emaillearbeit auf versilbertem Metall. Da war es wieder, Hamburg, das erste Jahr, der Ofen mit den Holzscheiten drauf, das Sirupbrot. Tief atmete Sowtschick ein, und es ruckte in seiner Brust. Wenn die Sache hier vorbei wär, das gelobte er in diesem Augenblick, dann würde er Marianne nie mehr allein wegfahren lassen. Nie!

    Schließlich stellte sich Sowtschick an das Fenster und spähte durch das Hapag-Fernglas, ob er die Pferdemädchen zu sehen kriegt. Er sah statt ihrer den Schulmeister, über Stoppelfelder stolpernd, eine Gruppe Neugieriger anführen. «De Düwel in de Föör!» Der wies mit dem Spazierstock auf das Haus des mutmaßlichen Mörders. Die Leute mochten denken: Merkwürdig, ein ganz harmloses Haus, und darin wohnt ein Mörder?

    Nun kam vom Dorf her ein Wohnmobil angeschaukelt, das hielt direkt vor seinem Haus. Eine englische Nummer. Der «Petrol»-Mann war es, mit seiner Frau, die hatten sich Hamburg angeguckt, Hagenbeck, die Michaeliskirche und die Reeperbahn und fuhren nun nach Haus. Wollten sich vielleicht das Spiegelei abholen, das er ihnen offeriert hatte, und den Steinhäger.

    Die

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