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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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die Nichten. Die Pferdemädchen waren am wildesten, die hätten am liebsten mit Gerten auf den armen Jungen eingeschlagen, wogegen die warm-weiche Petra die Balgerei ausnutzte für ihre Liebesbedürfnisse. Die andern zogen mal an einem Arm oder mal an einem Bein. Einzig das Löwenheckerchen hielt gegen, die versuchte, ihrem Freund zu helfen, der seinerseits Kontakt zu der herben Rebecca aufnahm.

    Adelheid war es, die sich ab und zu nach dem Haus umdrehte, das war zu bemerken.

    Ja, guck du man, dachte Sowtschick und verbarg sich. Das nützt dir jetzt auch nichts mehr, meine Freundschaft hast du verspielt. Und er malte sich aus, was er alles unternommen hätte, um sie zu belohnen. «Eene Milljon hätt hei all full!» Warum nicht mal nach Bremen fahren und einen ausgedehnten Einkaufsbummel machen? Mit den entsprechenden «Unsro»-Schecks in der Tasche?

    «Das hast du verspielt, du kleine Ziege», sagte er. Wie sie da unten in ihrer kräftigen Statur das Menschenknäuel hin und her schob, war sie ihm jetzt eigentlich ziemlich gleichgültig.

    Erledigt war die Sache, irgendwie.

    Inzwischen hatte sich das wüste Treiben da unten beruhigt. Man war aufgestanden und hatte die Hose hochgezogen. Nun wurde diese Frisbee-Sache gespielt. Früher als Kind in Ahrenshoop hatte man einen Gummiring gehabt, den man sich zuwarf, das war auch gegangen, nun schwebte eine grüne Scheibe von einem zum andern. Elegant, zugegeben, aber auch ziemlich witzlos. Der junge Mann, der es immer deutlicher mit Rebecca hielt, mußte sich öfter mal recken, und Sowtschick wünschte inbrünstig, daß er in eines der Karnickellöcher treten würde und sich die Knochen brechen. Und tatsächlich! Kaum hatte er das gedacht, da strauchelte der «Typ», blieb am Boden sitzen und hielt sich den offenbar verknacksten Fuß, was, wie man weiß, nichts nützt. Sternartig liefen die Mädchen zu ihm hin, Sowtschick mußte das Opernglas immer wieder nachstellen, und nun sah er nur noch Schenkel, Pos und braune Rücken, und er dachte: Das müßte man fotografieren.

    Es muß gesagt sein, daß Sowtschick in diesem Augenblick nicht frei war von Schadenfreude, sosehr in seinem Garten auch der Schmerz vorherrschte.

    Um von den Mädchen, die ihn vermutlich gleich um Hilfe ansuchen würden, nicht am Dachbodenfenster erwischt zu werden, sprang er in seine Fluchtburg zurück: Riegel zuschmeißen und Buch vor die Nase nehmen. Und schon klopfte es an die Tür. Sowtschick meldete sich mürrisch wie von weit …

    «Ja, was ist denn … Immer und immer wieder wird man gestört… Keine ruhige Minute …» Er öffnete die Klappe und empfing von den davorstehenden Mädchen (cremefarbene Masken von Ensor) quasi wie ein Kassierer chorisch die Mitteilung, daß Ralli ins Krankenhaus müsse, weil er in ein Kaninchenloch getreten ist und sich den Fuß gebrochen hat.

    Sowtschick erzeugte in seinem Gesicht einen Ausdruck, der Bedauern bedeuten konnte. Krankenhaus? fragte er. Er habe hier in seiner Nachtschrankschublade essigsaure Tonerde und breite Stützbinden … ob sie nicht erst mal zu Dr. Schmauser fahren wollten, das sei doch ein tüchtiger Praktiker? (In russischer Gefangenschaft hätte man in einer solchen Situation weiterarbeiten müssen, bei halber Ration.) Hier war es nun Adelheid als Medizinerin, die Sowtschick anguckte, ob er nun wohl völlig bescheuert ist, einen so dämlichen Vorschlag zu machen: Dr. Schmauser! Und in ihren Blick mischte sich Fremdheit, die die Restbestände von Vertrautheit abdriften ließ.

    Sowtschick händigte den Mädchen also seinen Autoschlüssel aus und schloß die Klappe: Die Sache war damit für ihn erledigt. Nicht sagte er ihnen, daß nur noch wenige Tropfen Benzin im Tank sind, und er hoffte, daß der Wagen auf halber Strecke stehenbleiben würde.

    Zwei Stunden später, als er gerade in der Küche stand und mürrisch eine Lauchsuppe von Lacroix löffelte, kam die Truppe zurück, ohne Ralli, der wegen des angebrochenen Fußes im Krankenhaus zurückgelassen worden war. (Das Benzin hatte offenbar gereicht.) Ob er eigentlich versichert sei, Haftpflicht oder so? fragten ihn die Mädchen, an sich wär er ja verantwortlich für die Sache. Die Kaninchentunnel hätten doch längst beseitigt werden müssen! Ralli habe furchtbare Schmerzen!

    «Ich hätte wohl ein Schild aufstellen sollen: Betreten des Rasens auf eigene Gefahr?» sagte er und sprach von Wehwehchen, die oftmals schneller vorübergingen, als man denkt. In russischer Gefangenschaft! Da

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