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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Schriftstellerin werden wollen, sagte Adelheid, einen Internatsroman habe sie mal angefangen, mit unheimlich viel Pferden, und das eine Mädchen riß dann aus.

    Dies fand Sowtschick unglaublich interessant, und warum nicht ausführen einen solchen Plan, was man sich vorgenommen hat, das sollte man auch ausführen, er für seine Person zum Beispiel …

    Gabriele sagte: Romane schreiben, das wär nicht ihr Fall. Eher Gedichte, sie habe schon ’ne ganze Masse … Sie wär gern Perlentaucherin geworden, Südsee und so weiter.

    Sowtschick riß die Augenbrauen hoch und sagte: «So?» Perlentauchen und Gedichte schreiben, das sei ja nicht sehr weit voneinander entfernt. Sonst fiel ihm aber nicht das geringste ein, das er der Sache hätte beifügen können. Das war auch gar nicht nötig, denn die Mädchen standen auf, um «ihre Klamotten zu verstauen», zu duschen und so weiter. Sie reckten sich und fragten, ob sie mal telefonieren dürften, daß sie hier sicher gelandet sind, sonst dächten «Papa und Mama» noch, sie wären verschüttgegangen?

    Ja, aber auf den schwarzen Knopf drücken, sonst funktioniert’s nicht.

    Sie nahmen das Kaffeegeschirr mit hinaus, was Sowtschick positiv vermerkte, und verschwanden. Der Brunnen flüsterte laut und deutlich: «Schatzi, Schmaratzi …» oder so was Ähnliches.

    Sowtschick achtete nicht darauf. Die Moleküle seines Leibes legten sich aufeinander und machten ihn schwer und unbeweglich, seine Seele war jedoch hell, und sein Gehirn war frei, an Milchlämmer dachte er, an junge Katzen, die sich übereinanderkugeln, und an sein Bankkonto, das stabil genug war, um ihm die ungewöhnlichsten Unternehmungen zu ermöglichen. Wie gut, daß er sich ein großes Haus gebaut hatte, und nicht womöglich zwei kleine, eins hier, das andere in Portugal, wie sonst hätte er sich zwei so angenehme menschliche Wesen in seine Nähe schaffen können. Wesen, die Männer in seinem Alter gewöhnlich nur durch ein Fernglas zu sehen kriegten? Und er dachte an die Zeit, in der seine Kinder in dem Alter gewesen waren. «Schatzi, Schmaratzi …»

    Das frische, klare Wasser im Brunnen, die warme Sonne … Sowtschick ging mit der Fliegenklatsche wedelnd in sein «Studio». Er setzte sich an seinen Renaissance-Schreibtisch. Während er den Finger an dem geschnitzten Knorpelwerk der Tischkante entlanggleiten ließ (nackte Menschen, die aus Pflanzen herauswuchsen), lauschte er dem lauten Juchzen in der Dusche, und er mußte an rinnendes Wasser denken, wie es auf braune Haut auftrifft, in Mäandern über den schwellenden Körper läuft und in Ausbuchtungen verschwindet … In den Ganglien seines Gehirns war erheblicher Aufruhr, die neuen Eindrücke trafen auf allzu ausgeruhtes Gedankengut, er hatte Mühe, sich auf dem schwankenden Brett zu halten. Zuerst die beiden Pferdemädchen aus allernächster Nähe, und nun zwei sogenannte Tussis, die in seinem Haus einen «Shower» nahmen?

    Von Arbeit an der «Winterreise» konnte jetzt keine Rede sein. Aber Sowtschick wußte sich zu nehmen. «Immer mit der Ruhe», sagte er, dachte an gotische Kathedralen und setzte sich wieder an die Post: Während er aus dem bedrohlich angewachsenen Briefberg sich aufs Geratewohl ein Häufchen herauszupfte, in dem sich auch zwei Postkarten an den Inder befanden, von einer gewissen «Marita» ungelenk geschrieben, horchte er mit halbem Ohr ins Haus hinein, wo das Juchzen fortdauerte.

    Sowtschick schrieb Autogramme auf vorbereitete Karten, er nahm zur Kenntnis, daß eine Frau Dr. Langenfeld aus Bad Homburg früher einmal in seiner Heimatstadt zur Schule gegangen sei und seinen Schulweg gekreuzt habe (schwarze Zöpfe und im Winter einen braunen Mantel), zerriß Briefe, in denen ihm Gedichte angekündigt wurden, die im Freundeskreis der Einsender bereits beträchtliches Echo ausgelöst hätten, während er also «Post machte», wobei ihm der Floskel-und Phrasenspeicher seiner Olivetti gute Dienste leistete, hörte er die Mädchen mal weiter hinten, mal weiter vorn rumoren. Doch dann wurde es still. Als es ganz still war, legte Sowtschick den Brief an Frau Dr. Langenfeld zur Seite (… daß es ja sehr schön sei, daß sie ihm geschrieben hat, und er freue sich, daß es ihr gutgeht …), und lauschte. Aus der plötzlich eingetretenen Stille war zu entnehmen, daß die beiden sich, sauber gewaschen und frisch gebürstet, genauer umsahen im Haus, quasi auf Zehenspitzen, sorgsam den Glöckchen ausweichend: «Huch, was ist denn dies…», ein

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