Hundstage
Apahasi hatten sie offensichtlich anregend gewirkt, die Mädchen würden Anstoß daran nehmen. Jugend war allergisch gegen so was, das war zu erwarten.
Mittlerweile war es vier Uhr geworden. Höchste Zeit, das Kaffeewasser aufzusetzen. Oder besser Tee? Nein, Kaffee. So war es Brauch in diesem Haus, und daran sollte nichts geändert werden. Sowtschick nahm sich vor, von vornherein unverrückbare Regeln einzuführen: neun Uhr Frühstück, zwölf Uhr Mittag und um sieben Uhr das Abendessen. Jugend braucht eine feste Hand. Indische Wirtschaft würde nicht geduldet werden. Dann Grenzen im Haus festlegen, innerhalb deren sich die «Tussis» würden frei bewegen können. Sein «Studio» zur unbetretbaren Zone erklären. Im Studio würde er an seinem Winterroman arbeiten, zwei Tage waren bereits vergangen ohne eine Zeile! Da konnte er kein Mädchen gebrauchen.
Eine andere Entscheidung war noch zu fällen: Wo sollte er sich aufhalten, wenn die beiden ankämen, in ihrer knatternden Ente? In der Bibliothek, den Zeigefinger zwischen den Seiten eines Buches? Oder im Garten, weißgekleidet, mit Sonnenbrille und vom Sommerwind zerzaustem Haar?
Sowtschick ging in den heißen Garten hinaus. Hier schlenderte er, von den Hunden begleitet, zunächst die Allee ein paarmal auf und ab, von einer Distel zur nächsten: Mit dem Hacken drehte er sich darauf – für Fremde gewiß ein sonderbarer Anblick –, um sie auf natürliche Weise zu vernichten, dann schlug er das Wasser ab, wobei ihm die Hunde zuschauten, akkurat an der dafür vorgesehenen Stelle, jeden Tag einen Meter weiter: Harnsäure, Phosphor, Kalzium … Wenn er das weiterhin so konsequent täte, würde der Garten aufblühen inmitten der ruinierten Natur. Vom Hubschrauber aus wäre er landwirtschaftlichen Eleven als positives Beispiel ökologischer Gartenpflege zu zeigen, dem «Jeden-Tag-eine-Seite» des Schriftstellers vergleichbar oder volkstümlich: Viele Wenig ergeben ein Viel. Das Gesicht wandte Sowtschick mit geschlossenen Augen der Sonne zu: Ein bißchen mehr Bräune könnte nicht schaden.
Eine Horde Mofas fuhr vorüber. Rüde Burschen, die extra Lärm machten, um ihn zu ärgern. Sowtschick verbarg sich hinter einem Busch, und als sie fort waren, setzte er sich auf die Mußebank, von der aus er sein Haus liegen sah, und er stellte sich vor, wie es wohl auf jemanden wirken würde, der es noch nie gesehen hat. Halb fünf war es inzwischen geworden, eigentlich schon ein bißchen spät. «Kaffee», das war doch wohl halb vier? Nun ja, Jugend nimmt’s nicht so genau.
Als er da auf seiner Mußebank saß, hörte er Pferdegetrappel, und ziemlich gleichzeitig rannten die Hunde zur hinteren Pforte. Wie Sowtschick zwischen den Büschen hindurch wahrnehmen konnte, waren es die Pferdemädchen. Das schwarzhaarige Mädchen ritt, das blonde fuhr auf dem Fahrrad hinterher.
Ach, dachte Sowtschick, mutwill’ge Sommervögel … Es gibt so viel Schönes auf der Welt … Und er winkte den Mädchen zu. Die Schwarzhaarige lenkte das sich aufbäumende Tier an den Zaun. Sehr kurze Shorts trug sie und ein rotes Tuch um die Brustknubbel.
«Ihr seid also die Pferdemädchen», sagte Sowtschick zu den beiden, die von grünschillernden Fliegen umschwirrt wurden, wobei er zunächst nur die Blonde ansprach, die auf dem Fahrrad saß. Er fürchtete sich, die andere allzu gierig zu fixieren. «Wie heißt ihr eigentlich? Seid ihr schon mal runtergefallen von dem Tier?» Er habe sie schon öfter mal gesehen, vom Fenster aus, aber runterfallen noch nicht. Reiten, das wär nichts für ihn, da tue einem doch der Hintern weh?
Sowtschick wurde nach dem Inder gefragt, ob der noch da ist, und dann sagten die beiden, daß sie ihn im Fernsehen gesehen hätten, und sie fragten, ob er alle Bücher mit der Hand schreibt. Das Pony gab sich ziemlich wild, es ging vorne und hinten hoch, und die Schwarze zügelte es derb.
Jaja, sagte Sowtschick, er schreibe die Bücher absolut mit der Hand, und er schickte sich an, ihnen einen Vortrag zu halten über den mühsamen Weg, den ein Schriftsteller zu gehen habe, bis er das fertige Manuskript abliefern kann. Sie müßten sich gelegentlich mal seine «Werkstatt» ansehen …
Leider ertönte jetzt in der Ferne ein Pfiff. Sofort zogen beide ab. Sowtschick ärgerte sich, daß er das Wort «Exzerpieren» gebraucht hatte bei seinen Erklärungen. Dieses Wort würde die beiden Kinder davon abhalten, noch einmal bei ihm einzukehren. Er schämte sich auch ein bißchen:
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