Hundstage
abartiger Mensch sei und Gelegenheit dazu hätte.
Während Sowtschick Brot zerpflückte und in die Fettsauce tunkte, wichen die wollüstigen Bilder. Statt ihrer stellten sich gräßliche ein: Ohltrop – das mit Blut besudelte Bett, der Leichnam und in der Küche vielleicht noch die Schnapsflaschen auf dem Tisch? Die Banditen hatten nach der Tat die Hausbar des Arztes inspiziert, das war ermittelt worden. Vielleicht hatten sie beim Bechern die Röchellaute des Opfers nachgeahmt, zur gegenseitigen Erheiterung, und waren wieder und wieder nach oben gestiegen, um dem Toten Fußtritte zu verpassen?
Beim Pudding mußte Sowtschick an Marat denken, an das Bild, wie der da mit einer Leinenbinde um die Stirn halb aus dem Zuber hängt, von Frauenhand gemeuchelt. Merkwürdiger Gedanke … Wollüstiges und Schreckliches mischte sich in Sowtschicks Hirn. Judith mit dem Haupt des Holofernes und die Notiz in der Börde-Zeitung, daß ein weiblicher Schlachterlehrling die Gesellenprüfung bestanden hat.
Sowtschick wischte sich den Mund, zahlte und ging, wobei er den Hofausgang nahm, um sich von dem Sozialfall zu befreien.
Vor der Pforte seines Hauses standen Handwerker in blauen Anzügen. Sie hatten eine Werkbank aufgestellt. Sauerstoffflaschen mit Gummischlauch und Manometer: Der Faradaysche Käfig sollte hier jetzt fabriziert werden. Sehr gut.
Sowtschick ging mit ihnen ins Haus, um ihnen die Fenster zu zeigen, an denen Gitter anzubringen seien, wobei er sich gezwungen sah, den Männern eine Hausführung zu bieten. Er zeigte auf die Einrichtung und sagte, das sei alles nicht viel wert, der Leuchter zum Beispiel sei eine Kopie – «Zünden Sie den auch mal an?» –, die Truhe vom Holzwurm zerfressen.
Die Handwerker erfüllten das Haus mit Zigarettenrauch. Sie maßen die Fenster der Fluchtburg sorgfältig aus und trugen die Zahlen in einen kleinen schmierigen Block ein. Sie wurden wieder hinausgeleitet und bekamen Bier hingestellt, weil sie die «trockene Luft» zünftig monierten.
Sowtschick ging nach oben. Das Filetsteak und die fette Sauce: Der Leib war ihm schwer, ihn verlangte nach Ruhe. Er warf sich auf das Bett wie Ohltrop, der Unglückliche, gelegen haben mochte, las ein paar Seiten im «Cerberus» und schlief fast augenblicklich ein, obwohl von draußen Schlagermusik heraufdrang. Es wurde gehämmert, und der Schweißapparat zischte, und Sowtschick schlief. Erst als die Männer aufhörten mit ihrem Rumoren, erwachte er ruckartig. Er ging hinunter, um ihnen weiteres Bier hinzustellen gegen die trockne Luft, und da sah er gerade noch, wie sie davonfuhren. Die rostige Werkbank blieb zurück, die Hunde hoben an ihr das Bein. Diese Leute ließen ihn also jetzt im Stich. Merkwürdig. Als ob es etwas Wichtigeres gebe als seinen Käfig!
Den Nachmittag verbrachte Sowtschick zunächst damit, den Kaffeetisch zu decken: Die Mädchen sollten «schnaffte» oder «heiß» empfangen werden. Er holte das Siebenhundertachtzig-Mark-Geschirr und das gute Silber und deckte im Teepavillon, der dem Bibliotheksgang vorgelagert war und bauchig in den Garten hineinragte. Das Silber hatte Marianne mit in die Ehe gebracht, merkwürdigerweise hatten die Teelöffel mehrmals nachgekauft werden müssen …
Als er alles stehen hatte, drei Gedecke, mit Blumen und aufgeschnittenem Topfkuchen, noch von Marianne gebacken – Liebster Mann –, bemerkte er, daß man von hier aus genau auf die Werkbank blickte. Und außerdem war es im Pavillon zu heiß. Also alles in den Innenhof schaffen, den Brunnen anstellen, nicht so heftig, nur eben so ein bißchen: «Sowtschick, Sowtschick, Sowtschick …»
Dann inspizierte er die beiden Fremdenzimmer, ob sie sich auch vorteilhaft darböten.
Im ehemaligen Zimmer seiner Tochter, mit dem provozierenden Satz: «Endlich raus!» an der Tür und einer nie benutzten Marionette auf dem Sofa, hatten sich eine Menge Fliegen gefangen. Die waren gegen die Fenster gestürmt und dort verendet. Sowtschick räumte die Leichen mit einem Handfeger fort. Dann warf er frisches Bettzeug auf das Bett und inspizierte das andere Fremdenzimmer. Es war die Bude seines Sohnes, in dem der Inder geschlafen hatte. Ein typisches Sohn-Zimmer, mit einem Bukowski-Plakat an der Wand, zerbeulten Radkappen, einem Nummernschild aus Nebraska und dem unverständlichen Ausruf: «Themroc» auf einem Pappschild. Problematisch waren die Panzermodelle, die hier auf einem Bord nebeneinander aufgereiht waren, die stellte man jetzt besser fort. Auf
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