Hundstage
und die beiden Biedermeiergläser, die in die Spülmaschine geschichtet waren und für immer erblindeten, ließ man besser verschwinden (zweihundertfünfzig Mark), das hätte Marianne nie verwunden.
Die Halle mußte auch mal wieder gesaugt werden und gewischt. Das taten die Mädchen, wenn Sowtschick es ihnen dreimal sagte. Den Staubsauger und den Eimer mit dem Schmutzwasser ließen sie dann allerdings stehen, den konnte man ja ein andermal wegstellen.
Jedes Mädchen hatte sich in dem Haus «Mäusenester» angelegt, mit Strickzeug, Bonbonpapier und Schreibkram und anderen aus den entlegensten Winkeln zusammengesuchten Gebrauchsgegenständen, wie zum Beispiel Mariannes elfenbeinernes Stopfei. Die chinaroten Jugendstilstühle des Teezimmers, extravagant und zerbrechlich, hatten sie vor den backofenartigen Rustikal-Kamin gestellt, und Sowtschicks Schallplatten, sonst nach Hörvorlieben geordnet, lagen auf dem Flügel übereinander, zum Teil ohne Hülle! Und ob das wirklich gut ist für die Hi-Fi-Anlage, wenn sie die ganze Nacht über angelassen wird und laut und lauter vor sich hin brummt, ist eben doch die Frage.
Warum er denn eigentlich keinen CD-Spieler hat, wurde er gefragt. Auf den Dingern könne man rumtrampeln, ohne daß die kaputtgehen.
Fremdartig mutete Alexander auch sein Badezimmer an. Obwohl er deutlich gesagt hatte: «Das da drüben ist euer Badezimmer, dieses hier ist meins», fand er seine Zahnpastatube anders ausgedrückt als gewöhnlich (vorn, statt hinten), der Rasierpinsel stand auf dem Rand der Badewanne. Mit seiner Dauerrasierklinge, dies war herauszubringen, hatte sich Gabriele die Achselhaare ausrasiert. Gesichtswasser mit schmutzigen Wattepads, Shampoo und eine Seifenschale voll Haarspangen und Gummibändern.
«Kann mir mal einer sagen, was dieser Pullover im Kühlschrank zu suchen hat?»
Um das Chaos nicht ausufern zu lassen, «zur Aufrechterhaltung der Ordnung», wie Sowtschick sagte, wurden ab und zu Hausbegehungen veranstaltet. Die Mädchen mußten einen Wäschekorb hinter ihm hertragen, und dahinein tat Sowtschick alles, was umherlag. Ursprünglich hatte er vorgehabt, das Zeugs dann wegzuschließen, aber daran hinderte ihn das Löwenheckerchen mit ihrem festen Kindergriff. Nein, die Kassette mit den «Summer-Hits» gab sie nicht her.
Im übrigen hoben die Hausbegehungen die Stimmung eher, als daß sie sie dämpften. Sie werden nach Hause schreiben, er ist gar nicht so, dachte Sowtschick, und tatsächlich, den herumliegenden Tagebüchern und Briefen konnte er entnehmen, daß sie zufrieden waren mit ihm. Als «flockig» bezeichneten sie ihn, und das war ja wohl positiv zu bewerten. Etwas enttäuscht war er, daß das Haus mit all dem raffinierten Komfort in diesen Aufzeichnungen keine größere Rolle spielte. Das Haus sei echt toll, war zwar zu lesen, das Schwimmbad total ätzend, aber sonst war viel von Ralli die Rede, «der ja so gemein ist», und daß die beiden, wenn das hier vorbei ist, noch zehn Tage Juist dranhängen wollten.
Noch zehn Tage Juist dranhängen? Das verletzte Sowtschick. Wie konnte man in diesem Haus und in seiner Gegenwart an etwas anderes denken als an das erregende Heute?
Die Mädchen nahmen die Vorhaltungen, in die sich Sowtschick, wenn er sich nicht in acht nahm, hineinsteigerte, ungerührt entgegen, das tropfte an ihnen ab. Sie ließen sich gern an ihre Pflichten erinnern, und ab und zu richteten sie sich sogar danach. Regelmäßige Gespräche und regelmäßige «In-Ruhe-Lassungen» sorgten dafür, daß Vergleiche, die die Mädchen zwischen ihren Eltern und Sowtschick anstellten, für den Hausherrn positiv ausfielen.
Beunruhigend war es, daß das singende, springende Löwenheckerchen Gedichte schrieb. Der Schreibblock fand sich tagsüber wie unabsichtlich abgelegt auf Sowtschicks Flügel, ob das was ist, sollte er wohl prüfen. Es war ein Stenoblock, die Seiten mit einem roten Strich geteilt. In diesen Gedichten tropfte eisige Zeit ins Meer der acrylfarbenen Schwermut, und abgestandene Sonne hing über dem Schilfrohr erdfarbener Ewigkeit. Auch saurer Regen kam reichlich darin vor, und Strontium.
Dieses Hobby würde ihm noch zu schaffen machen, das war Sowtschick klar, aber er beschloß, sich einstweilen nichts anmerken zu lassen. Wenn sie ihn direkt um ein Urteil angehen würde, dann würde er sagen, daß der rote Strich auf dem Stenoblock eine Herausforderung sei. Sie sollte versuchen, «Nebengedichte» zu schreiben, von der linken auf die rechte
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