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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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gelang, schnell genug an die Pforte zu kommen. Sowtschick nannte sie seine «Raubritter». Er bedauerte das Tier, was die Mädchen darauf brachte, ihm zu zeigen, was es alles aushält. Einig war man sich in der Beurteilung des Jägers Budweis. Der hatte den Mädchen schon mehrmals verboten, durch den Wald zu reiten. Richtig unheimlich sei er ihnen, sagten sie, und sie überlegten, ob sie ihm nicht mal irgendeinen Streich spielen könnten.

    Wenn Sowtschick so über die Brombeerhecke zu ihnen sprach, dann war ihm das eigentlich ziemlich lästig, die stechende Sonne und jede Menge Wespen, und er dachte immer: Wie schön wäre es, wenn ich jetzt in Ruhe bei den großen Mädchen in der Laube säße. Aber wenn er bei den Großen saß, dachte er, wenn doch die beiden Raubritter mal wieder kämen.

    Auch Erika war immer irgendwie da. Meistens saß sie in der alten Kinderhöhle von Michael und Susi, oder sie kletterte auf Bäume. Manchmal machte sie auch den Clown, ließ sich auf alle viere nieder und spielte Schafbock mit den Schafen. Dies tat sie aber nur, wenn ihr jemand dabei zusah. Sie hatte sich im Laufe der Zeit die Höhle urtümlich eingerichtet, mit alten Decken und Stroh. Am liebsten hätte sie es gehabt, wenn die anderen, also vor allem Sowtschick, sie dort mal besucht hätten. «Wann kommst du tau mi?» fragte sie, und sie puffte Sowtschick in die Seite, weil der sie allzu auffällig vertröstete.

    Sowtschick in der sommerlichen Laube, die Hände behaart, das Kettchen um den Hals: Er sah sich Gabrieles Strickmuster-Skizzen an, mit den Kreuzen und Punkten, und er dachte an seinen Roman, das heißt daran, daß er an ihn denken müßte. Doch der Besänftiger in ihm lieferte ausreichend Argumente fürs Nichtstun. Auch der regsamste Geist bedarf der Ruhe, und wenn er jetzt mit Marianne in Frankreich säße, dann könnte von Arbeit ja auch keine Rede sein.

    Sowtschick freute sich an den Mädchen: braungebrannt mit dunkleren Sommersprossen, und wie beschreibt man dieses Haar? Warum es beschreiben? … Es reicht, daß es sich in Sowtschicks Laube befand, auf Sowtschicks Grundstück, und zu Zöpfen geflochten, zu fünfzig Pfennig pro Tag.

    Es behagte Sowtschick, daß die Mädchen sich darüber amüsierten, daß seine Hemdsärmel hochgenäht waren – seine Einlegesohlen erregten krümmende Heiterkeit. Warum er denn immer in Weiß herumlaufe, fragten sie ihn, dunkel stünde ihm doch viel besser, und wenn er sich dann ein schwarzes Hemd anzog, dann sagten sie: So dunkel nun auch wieder nicht.

    Sein starker Bartwuchs und die behaarten Arme rissen manches heraus.

    Morgens früh joggten sie durch den Garten, das Löwenheckerchen konnte wahnsinnig schnell rennen, die Hunde liefen voraus, und die Kaninchen kollerten, zu Tode erschrokken, um die Ecke. Fast hätte Sowtschick sich sogar mal daran beteiligt. Hiervon hielt ihn das Foto vom strauchelnden Präsidenten Carter ab.

    Danach gingen sie dann schwimmen. Gabriele war beim Laufen vornean, Adelheid beim Schwimmen. Daß sie sich vorher nicht duschten, war anzunehmen, und daß sie hinterher den Rest-Room nicht aufräumten, war die Regel. Die feuchten Laken über die wertvollen Knoll-Sessel hängen, das hatte Sowtschick nicht so gern.

    Sie liefen, sie schwammen, sie lagerten unter den Bäumen, bissen in Äpfel und lasen, oder sie saßen, wenn es draußen zu heiß war, in der Bibliothek auf dem Teppich mit untergeschlagenen Beinen: mitunter direkt auf dem Kreidestrich, der Sowtschicks Reich von dem «des Pöbels» abgrenzte.

    Milch holen beim Bauern, und «popofrische» Eier, mit dem Auto natürlich, obwohl es mit dem Fahrrad genauso ging – was die so fragen, und der Briefträger ist nicht so leicht abzuwimmeln, besonders, wenn ihm im Bikini die Tür geöffnet wird: Tempotaschentücher in der Waschmaschine geben lustigen Effekt, und wer die Küchenfenster offenstehen läßt, muß sich nicht wundern, wenn die Katze den Schinken holt.

    Sie standen übrigens auch bei den Schlossern, die beiden Mädchen, es mußte ja furchtbar sein, in dieser Hitze zu arbeiten. Auch wenn sie wegen der Schweißblitze woanders hingucken mußten, so nahmen sie doch das durch und durch Männliche in dieser Tätigkeit wahr.

    Das Zusammensein mit den Mädchen hatte nicht nur angenehme Seiten. Aus der Zeitschrift «Form» hatten sie Bilder ausgeschnitten, Sowtschicks Handbuch der Ikonographie, von Adelheid nachts im Garten liegengelassen, konnte weggeworfen werden (neunundvierzig Mark und achtzig),

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