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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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du letzte Nacht geschlafen?»
    «Gar nicht.»
    «Wann bist du nach Hause gekommen?»
    «Gegen elf.»
    «Würdest du bitte sofort dein deutsches Pflichtbewusstsein auf Fehlermeldungen überprüfen!»
    «Jaja, ich hab schon begriffen! Ich habe ja auch nicht behauptet, dass ich mich schuldig fühle … nur, dass ich Claudia verstehe.»
    «Warum?»
    «Weil ich mir Freiheiten erlauben kann, die sie nicht hat.»
    «Ist das deine Schuld?»
    «Sag mal, Angelo … welche Absicht verfolgst du mit deinen ständigen Befragungen?»
    Er wiegte den Kopf und lächelte. «Keine bestimmte. Ich versuche nur, deine Gedanken und Motive zu verfolgen, damit ich dich besser verstehe. Mir zum Beispiel macht es überhaupt nichts aus, wenn ich mir mehr Freiheiten erlauben kann als meine Kollegen. Im Gegenteil: Ich genieße es! Es hat mich schließlich einige Mühe gekostet, Commissario zu werden. Weshalb sollte ich also gegenüber D’Annunzio Schuldgefühle haben …»
    «Ich habe keine Schuldgefühle!» Laura brüllte fast.
    «Dann ist ja alles in Ordnung.»
    «Nein!»
    «Wieso nicht?»
    «Weil ich mir vorkomme wie in einem Verhör und weil du gerade zu viel redest!»
    «Scusi.»
    «Warum machst du das, Angelo?»
    «Weil ich wissen will, wann deine Gelassenheit aufhört und du wirklich wütend wirst!»
    «Und was hast du davon?»
    «Ich lerne dich kennen, Commissaria! Immer ein bisschen besser.»
     
    Eine halbe Stunde später saß Laura dem jüngeren Sohn von Karl-Otto Mayer gegenüber. Sie hatte ihn aus der neonbeleuchteten Anonymität des Warteraums in ihr eigenes Büro gebeten, neuen Kaffee aufgegossen und ihm ihr Mitgefühl ausgedrückt. Durch die beiden Fenster konnten sie die Türme der Frauenkirche sehen. Sebastian Mayer blieb lange vor einem der Fenster stehen und wandte Laura den Rücken zu. Er war größer als sein Vater, mindestens um anderthalb Köpfe. Seine Schultern waren breiter, sein Haar noch dicht und dunkelblond, obwohl er sicher schon über fünfzig war. Er trug ein elegantes schwarzes Polohemd und schwarze, sehr weite Leinenhosen.
    «Warum wollten Sie mich sprechen?», fragte er nach einer langen Zeit des Schweigens. «Stimmt etwas nicht mit dem Tod meines Vaters?»
    «Es stimmt tatsächlich etwas nicht», erwiderte Laura langsam.
    Schnell drehte Sebastian Mayer sich zu ihr um. Laura fühlte sich beinahe erleichtert, als sie in seinem Gesicht wenigstens eine flüchtige Erinnerung an die Züge des alten Mannes wiederfand.
    «Was stimmt nicht?» Er sah erschrocken aus, aber auch ärgerlich.
    Laura war nicht ganz sicher, ob sie ihn mochte. Er war ein erfolgreicher Architekt in Hamburg, das hatte Claudia inzwischen herausgefunden, und Laura konnte sehr gut verstehen, warum der alte Mayer nicht in den Norden ziehen wollte. Sein Sohn lebte ganz offensichtlich in einer anderen Welt, die mit der verstaubten Genossenschaftswohnung in Schwabing nichts mehr zu tun hatte.
    «Es stimmt etwas nicht, weil Ihr Vater zwar eines natürlichen Todes gestorben ist, dieser natürliche Tod aber vermutlich die Folge einer Heldentat war. Einer Heldentat Ihres Vaters – nicht der ersten übrigens.»
    Ganz langsam hatten sich während ihrer Worte seine Augenbrauen gehoben.
    «Ein Held? Mein Vater, ein Held?»
    «Spricht etwas dagegen?»
    Er hob die Schultern, ließ sie wieder fallen, rieb nervös seine Nase und lachte kurz auf. «Ja, wenn Sie so wollen: Es spricht eine ganze Menge dagegen. Er war immer sehr zurückhaltend und bescheiden. Ich würde sagen, mein Vater hat nie etwas Besonderes getan, wenn Sie das verstehen. Er war nichts als ein ziemlich netter Mensch.»
    «Das ist doch schon eine Menge, oder?»
    «In gewisser Weise.» Er zuckte erneut die Achseln. «Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er jemals eine Heldentat vollbracht hätte. Im Gegenteil, mir erschien er manchmal geradezu feige, weil er Konflikten gern aus dem Weg ging.»
    Laura wich seinem Blick nicht aus, diesem leicht ironischen und selbstbewussten Blick, der sicher bei vielen Frauen ankam.
    «Nun», sagte sie langsam, «ich werde Ihnen jetzt eine Geschichte erzählen, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich setzen würden. Stehende Menschen erwecken bei mir immer den Eindruck, als wollten sie nicht zuhören und wären in Gedanken weit weg.»
    Wieder lachte er auf, doch jetzt wirkte er nicht mehr ganz so selbstsicher. Er ließ sich in einen der Besuchersessel fallen, dessen Lederbezug ganz abgewetzt war, und verschränkte die Arme vor der Brust. Nachdenklich trank

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