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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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ohnehin nicht schlafen kann.»
    «Meinst du das im Ernst, Angelo? An unserem ersten gemeinsamen Abend?»
    «Es bleiben uns noch viele andere, ich habe mir zwei Wochen freigenommen.»
    «Bene.» Laura brauchte ein bisschen Zeit, um diese Information aufzunehmen. In zweieinhalb Wochen erwartete sie Luca und Sofia zurück. Also blieb ihr selbst noch eine halbe Woche. Warum dachte sie das? Sie hatte sich nach ihm gesehnt, ihn gebeten zu kommen. Warum also dachte sie das? Weil sie kein Bauchweh mehr hatte? Weil sie sich nicht mehr so verloren fühlte seit diesem Nachmittag mit ihm?
    «Bist du noch da, Laura?»
    «Jaja. Es ist gut, dass du zwei Wochen Zeit hast!»
    «Wirklich?»
    «Ja, es ist sogar sehr gut. Ich bin gleich da. Wenn ich klingle, dann komm bitte runter. Aber mit meinem Vater gehen wir erst morgen Abend essen. Ich werde es ihm selber sagen. Heute bin ich zu müde.»

ES WAR BEREITS NACHT, als Ralf aus einem unruhigen Schlaf erwachte. Ihm war kalt, und trotzdem brannte noch immer dieses geheime Feuer in ihm. Er fühlte sich zittrig und schwach. Durst hatte er auch. Mit seiner rechten Hand tastete er nach der Wasserflasche. Als er sie nicht fand, setzte er sich mühsam auf. Der Mond war schon da und tauchte den Park in milchiges Licht. Ein paar Minuten lang wusste Ralf nicht, wo er war, und erschrak vor den schwarzen Zweigen der Eibenbüsche, die sich über ihm zusammenschlossen wie ein riesiges Netz.
    Nur verschwommen erinnerte er sich daran, dass er am Nachmittag unter die Büsche gekrochen war, um sich auszuruhen. Was war davor gewesen? Gelaufen war er, in der ganzen Stadt herum. Und es war heiß gewesen, sehr heiß. Ihm war heiß gewesen. Jetzt war ihm heiß und kalt. Seltsam. Wie lange war er gelaufen? Zwei Tage oder nur einen? Er wusste es nicht genau. Wusste nicht einmal, wo er die letzte Nacht verbracht hatte, als plötzlich die Isarufer voller Menschen waren, die herumrannten und schrien und zuschlugen. Die blauen Lichter, an die erinnerte er sich auch.
    Und vor dem Laufen? Da hatte er den rothaarigen Teufel gesehen, mit Zacken auf dem Kopf. Er wusste ja, dass es ein Punker war. Aber der Teufel konnte sich auch als Punker verkleiden. Der Teufel konnte so was. Ralf schaute sich um, meinte rote Zacken zwischen den Zweigen zu sehen und hielt vor Schreck die Luft an. Jetzt waren die Zacken wieder weg, und er sah grüne Schleier. Mit seinen Augen stimmte etwas nicht. Er schüttelte den Kopf, kniff die Augen zu und riss sie wieder auf.
    Wo hatte er bloß die verdammte Flasche hingesteckt? Sein Mund war so trocken, dass er kaum schlucken konnte. Auf allen vieren kroch er herum, suchte und entdeckte die Flasche endlich zwischen den Eibenwurzeln. Sie war ein Stück den Hang hinabgerollt. Ralf robbte zu ihr hin und öffnete sie mit zitternden Händen. Aber mehr als ein paar Tropfen waren nicht mehr drin. Er musste unbedingt trinken, hielt den Durst kaum noch aus.
    Obwohl er noch immer seltsame farbige Schleier sah, riss er sich zusammen, steckte die leere Flasche in seinen Rucksack und taumelte geduckt unter den Ästen hindurch auf den Weg zurück.
    Der kleine Bach, der sonst immer neben dem Weg herlief, war versiegt. In seiner Not hätte Ralf selbst dieses Wasser getrunken. Die Hunde tranken es und wurden nicht krank. Aber der Bach war nicht da, seine Quelle zwischen zwei Felsbrocken ausgetrocknet. Weiter oben gab es einen Brunnen. Ralf hatte keine Ahnung, ob der noch lief. War kein Trinkwasser, aber ab und zu hatte er das schon getrunken, wenn er zu müde war, um zum Max-Weber-Platz zu laufen. Bisher war es immer gutgegangen.
    In dieser Nacht kam ihm der Hang steiler vor als sonst, und sein Herz klopfte so heftig, dass es in seinen Ohren dröhnte. Jeder Schritt strengte ihn an, als müsste er seine Füße von der Erde losreißen. Der Rucksack war so schwer, dass er ihn am liebsten unter den Büschen zurückgelassen hätte. Aber das wagte er nicht. Sein gesamtes Grundkapital steckte in diesem Rucksack, jetzt, da er seinen Anhänger verloren hatte.
    Endlich war er oben, wo es wieder flach wurde und der breite Fahrradweg entlanglief. Ralf horchte. Außer dem Wummern seines Herzens konnte er nichts hören. Die Ampeln am Europaplatz waren abgeschaltet, kein Auto unterwegs. In den großen alten Villen am Rand des Parks leuchteten nur wenige Fenster. Gelbe Flecke hinter dunklen Bäumen. Ralf durfte sie nicht lange ansehen, diese gelben Flecke, wenn er sie zu lange ansah, begannen sie zu kreisen. Er mochte das nicht.

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