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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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war ja nicht verboten, sich zu waschen, oder? Na ja, man konnte nie wissen. Vielleicht war es nur erlaubt zu pinkeln und sich danach die Hände ein bisschen nass zu machen.
    Er roch an seinem Hemd. Es stank nach Schweiß. Eigentlich wollte er heute ein frisches anziehen, aber das lag in seinem Anhänger, und da konnte er nicht hin. Irgendwas hinderte ihn daran. Es war so, wie wenn einer einem das Bein abhackt, und dann kann man nicht hinschauen, weil man es nicht aushält, dass das Bein nicht mehr da ist.
    Ballast, murmelte er. Verdammter Ballast. Aber ein Bein war kein Ballast. Sein Anhänger war kein Bein. Ein Bein war wichtiger als ein Anhänger. Und trotzdem konnte er nicht hinschauen. Jedenfalls heute noch nicht. Vielleicht morgen. Vielleicht würde er neue Reifen suchen und den Dreck wegspülen. Und dann?
    «Ach, Scheiße!», sagte er laut. Seine Stimme hallte im Toilettenraum wider. «Scheiße!», schrie er. «Scheiße, Scheiße!»
    Jemand machte die Tür auf, steckte den Kopf herein und verschwand wieder. Ralf lachte und streckte die Zunge heraus, streckte sie sich selbst im Spiegel heraus und nochmal in Richtung Kamera. Dann zog er sein Hemd wieder an, trank nochmal aus dem Wasserhahn, füllte die alte Plastikflasche in seinem Rucksack und wandte sich der Tür zu. Als er gerade die Hand nach dem Griff ausstreckte, knallte ihm die Tür beinahe an den Kopf. Ralf duckte sich und flog gegen ein Waschbecken, weil der Wachmann ihm einen Schlag gegen die Brust versetzt hatte.
    Ralf ergab sich ohne jeden Widerstand. Wachmänner kannte er. Mit denen war nicht zu spaßen. Die waren viel schlimmer als Polizisten, fühlten sich so stark mit ihren schwarzen Uniformen und den Knüppeln. Ralf hob beide Hände über den Kopf und wartete.
    «Hier wird nicht randaliert, klar!», herrschte der Wachmann ihn an. Ralf nickte. Es hatte keinen Sinn, etwas zu antworten oder gar zu widersprechen. Man musste die Leute ins Leere laufen lassen – aber nicht zu sehr. Man musste auch wissen, wann eine Antwort nötig war, damit sie nicht zu wütend wurden. Wütende Wachleute waren ganz schlecht.
    «Raus hier!»
    Ralf nickte und bewegte sich vorsichtig Richtung Tür. Den Wachmann streifte er nur mit einem Seitenblick. Groß und dünn war der. Hatte einen Backenbart und schmale Lippen. Neben der Tür stand ein zweiter. Eine Frau. Eher klein und dick. Breitbeinig stand sie da, deutete mit dem Schlagstock und hielt die Tür auf.
    «Raus! Aber dalli!»
    Ralf schlüpfte durch die Tür, seinen Rucksack hielt er fest umklammert. Erst langsam, dann immer schneller ging er zur Rolltreppe, die nach oben führte. Schaute sich erst um, als er schon auf dem Weg nach oben war, konnte die Wachleute zum Glück nicht mehr sehen. Sie ließen ihn gehen. Er fühlte sich zittrig.
    Es war schon fast dunkel, der Himmel über den Häusern von einem durchsichtigen Blauschwarz. Ralf überquerte den Max-Weber-Platz und lief Richtung Isar. Nicht zu seinem Anhänger am Friedensengel. Er nahm die andere Richtung.
    Es war Zeit, die Kerle auf der Kiesbank vor dem Deutschen Museum zu beobachten. Erst danach konnte er entscheiden, was zu tun war.
     
    Als Laura ihren Dienstwagen auf dem Bürgersteig in der Lilienstraße parkte, war es bereits Nacht. Sie war länger bei ihrem Vater geblieben, als sie beabsichtigt hatte. Wenn er seine Anfälle von Lebensweisheit hatte, dann machte sie sich stets besondere Sorgen um ihn. Allerdings beruhigte es sie, dass er gelegentlich wieder gern lebte. Seit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter vor fünf Jahren schien es lange Zeit so, als wartete er nur darauf, sich zu verabschieden und seiner Frau zu folgen.
    Sie warf die Wagentür zu, ging ein paar Schritte und drückte auf den elektronischen Schlüssel.
    Vor der Kneipe an der nächsten Straßenecke waren alle Tische voll besetzt. Leise Jazzmusik klang herüber, Gemurmel, Lachen.
    Laura hörte ein paar Sekunden lang zu, dann bog sie in die schmale Querstraße ein, die zum Fluss führte. Unter den hohen Bäumen am Hochufer blieb sie stehen und schaute auf das Kiesbett hinaus. Ein großes Feuer loderte da unten, und eine Menge Leute hingen dort herum. Nicht zu nah am Feuer, denn es war viel zu heiß. Sie wirkten eher wie dunkle Silhouetten, deren Schatten ab und zu auf die Büsche und die Mauer des Museums am anderen Ufer fielen. Dann wurden sie zu Giganten.
    Eine Weile beobachtete Laura dieses Schattenspiel, dann suchte sie endlich mit den Augen nach einem zweiten Feuer oder Licht, das ihr

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