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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Manchmal kann man einen Totschlag daraus machen, manchmal Notwehr. Das ist alles. Als Mensch kann ich einem Mörder viel mehr Verständnis entgegenbringen. Geht es um den Fall Dobler, von dem du neulich erzählt hast? Wie kommst du auf die Jüdin, die ihre Mutter rächen will?»
    Laura erzählte ihrem Vater von dem Gespräch mit Karl-Otto Mayer und der alten Frau Neugebauer. Emilio Gottberg hörte sehr genau zu und verlangte dann nach einem zweiten Glas Weißwein, gespritzt diesmal.
    «Ein schwieriger Fall», sagte er endlich leise. «Ich würde ihn ruhenlassen. Ja, ich denke, dass dein Staatsanwalt gar nicht so dumm ist. Selbstmord – und lass ihn in Frieden ruhen. Was im Dritten Reich passiert ist, das hat bis heute Wirkung, selbst nach über sechzig Jahren. Nur sind sich viele dessen nicht bewusst. Was würdest du tun, Laura, wenn so ein feiges Schwein dich und deine Mutter ins KZ gebracht hätte? Wenn du überlebt hättest und deine Mutter wäre ermordet worden? Würdest du ihn suchen? Könntest du ihm verzeihen? Was wäre, wenn diese Wunde nie verheilt ist? Wenn du von irgendwem erfahren würdest, dass genau dieser Verräter uralt geworden ist und noch heute ein komfortables Leben führt? Würdest du es einfach vergessen? Oder würde es an dir nagen? So lange, bis du plötzlich aufstehst und diesen Kerl suchst … Ja, und dann ist alles möglich, oder?»
    Laura ließ die Fingerspitzen über den vertrauten weichen Bezug des Sessels gleiten und schloss die Augen.
    «Ja, dann ist wohl alles möglich», wiederholte sie langsam. Eine Zeit lang schwiegen sie. Irgendwo in der Nähe war jemand mit einer elektrischen Heckenschere am Werk. Das Rauschen des Eisbachs vermischte sich mit dem Rauschen der Schnellstraße, die den Englischen Garten durchschnitt.
    «Still ist es selten auf dieser Welt», lächelte Emilio Gottberg, der ebenfalls lauschte. «Lass uns etwas essen. Ein Blättchen Schinken und einen Spalt Melone werde ich schon runterkriegen.»
    «Warte, Babbo. Ich will sie gar nicht vor Gericht bringen … ich meine, falls sie es war. Ich möchte nur wissen, ob sie es war. Und ich würde sie gern sehen. Ich würde gern hören, was sie dabei empfunden hat, als sie den alten Mann dazu brachte, das Gift zu schlucken. Und wie sie es angestellt hat, dass er es schluckte. Ich wüsste auch gern, wie sie sich jetzt fühlt. Ob sie zufrieden ist oder Schuld empfindet.»
    «Jaja, das ist meine Tochter Laura. Was macht dich eigentlich so sicher, dass Lea Maron diesen Dobler umgebracht hat? Verbeiß dich nicht in diese Vorstellung. Es kann auch ein ganz anderer gewesen sein. Meistens haben wir nicht genügend Phantasie für die seltsamen Fügungen dieses Lebens.»
    «Warum bist du heute Abend eigentlich so weise, Vater? Ist alles in Ordnung mit dir?»
    «Ich hatte vor, mit dir über die wichtigen Dinge des Lebens zu reden. Das kann man in jedem Zusammenhang. Deshalb frage ich dich jetzt, warum dein Commissario noch nicht hier ist? Worauf wartest du eigentlich, Laura? Dass er dir wegläuft? Dass eine hübsche Polizistin in sein Kommissariat versetzt wird? Deine Kinder sind in England, und du spielst die einsame Prinzessin im Turm.»
    Laura stand auf, nahm die beiden Gläser und kehrte wortlos in die Küche zurück. Der alte Gottberg folgte ihr, sah zu, wie sie Schinken aus dem Kühlschrank nahm und die Melone aufschnitt.
    «Also, was ist?», fragte er mit etwas unsicherer Stimme. Laura schaute nicht auf, sondern schälte das saftige orangefarbene Fruchtfleisch von der Melonenschale.
    «Du bist wirklich sehr klug, Vater, aber manche Dinge verstehst auch du nicht. Zum Beispiel, dass Frauen manchmal Zeit für sich selbst brauchen.»
    Der alte Gottberg akzeptierte diese Antwort, und während des einfachen Mahls unterhielten sie sich freundlich über die gemeinsame Reise nach Siena und mieden für den Rest dieses Abends die wesentlichen Dinge des Lebens.
     
    Es war schon beinahe dunkel, als Ralf, der Steinmetz, sich endlich aufraffte. Wozu, wusste er nicht genau. Er wusste auch nicht, wie viele Stunden er neben dem Denkmal von Ludwig   II. gesessen hatte. Durstig war er inzwischen, deshalb wandte er sich nach kurzem Zögern Richtung Max-Weber-Platz und fuhr mit der Rolltreppe ins erste Untergeschoss der U-Bahn-Station. Dort trank er aus dem Wasserhahn in der öffentlichen Toilette und wusch Gesicht und Hände. Weil gerade niemand da war, zog er sein Hemd aus und wusch auch den Oberkörper. Die Kamera an der Decke war ihm egal. Es

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