Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
bleibt’s auch. Verstanden?! Von deinen Germanenhorden lassen wir uns nich vertreiben! Alles klar? Verpiss dich gefälligst!»
«Ich geh ja schon.» Laura unterdrückte die Fragen, die sie hatte stellen wollen. Es hatte keinen Sinn. Nicht jetzt. Die würden ihr nicht glauben, und mit der Polizei wollten sie ganz sicher nichts zu tun haben. Vielleicht hätte sie als Reporterin eine bessere Chance. Aber dazu war es jetzt zu spät. Nächstes Mal. An diesem Abend war sie nicht schnell genug gewesen. Sie stolperte über große Steinbrocken unter der Brücke, die Verwünschungen der drei Obdachlosen hallten in dem Gewölbe wider. Kriminalhauptmeister Bader kam ihr entgegen.
«Alles in Ordnung?»
«Jaja.»
«Hatten Sie Probleme mit denen?» Er wies mit dem Daumen seiner rechten Hand flussabwärts.
«Nein. Wir haben nur geredet. Was gibt’s denn bei euch?»
«Na ja!» Er lachte kurz auf. «Absingen verbotener Lieder, Anpöbelung zweier Polizeibeamter. Wir sind nämlich von der andern Seite gekommen. Die haben ein richtiges Theater mit uns aufgeführt. Schaurig, das kann ich Ihnen sagen, Frau Hauptkommissarin.»
«Laura!», sagte Laura. «Sagen Sie einfach Laura zu mir. Was für ein Theater?»
«Die haben uns eingekreist, gefragt, was wir hier wollten? Ob wir nicht wüssten, dass dieser Strand besetztes und befreites Gebiet ist.»
«Toll!»
«Ja, toll! Wir haben gesagt, dass wir nur ein bisschen am Fluss sitzen wollen, was trinken und essen und so. Die haben uns mit Taschenlampen ins Gesicht geleuchtet. Es war echt widerlich. Dann hat einer von denen gesagt, dass wir wie anständige Deutsche aussehen und dass wir heute Abend unter ihrem Schutz stehen. Die haben uns sogar noch Bierdosen angeboten. Irgendwie war es nicht ganz real, wenn Sie wissen, was ich meine, Frau … äh, Laura. War wie im Kino.»
«Ich weiß sehr gut, was Sie meinen, Florian.»
«Ich dachte, so was gibt’s nur im Osten. Haben Sie eine Ahnung, wo die plötzlich herkommen? Ich arbeite schon seit sechs Jahren in München, aber von solchen Aktionen hab ich noch nie was gehört!»
«Es gab mal eine Gruppe, die plante einen Anschlag bei der Grundsteinlegung des jüdischen Museums. Aber die sitzen fast alle im Knast. Natürlich gibt’s rechte Gruppen, und die treffen sich auch. Aber das hier ist wirklich neu. Wie lange seid ihr denn schon hier?»
«Knappe Stunde.»
Die junge Polizistin erwartete Laura mit einer Dose Zitronenlimo. «Oder wollen Sie lieber Bier? Haben wir alles in unserer Kühlbox. Ich dachte, mit Kühlbox und Kerzen wirken wir ziemlich echt: Liebespaar beim Picknick.»
«Liebespaar!», knurrte Florian Bader. «Erzähl das ja nicht rum unter den Kollegen. Sonst hört das irgendwann meine Frau.»
«Ist die so eifersüchtig?»
«Und wie!»
«Na, von mir erfährt sie nichts.»
«Ich nehm die Limo!», unterbrach Laura die beiden. «Und ich möchte, dass ihr die Gruppe beobachtet, bis sie sich auflöst. Falls einige zusammenbleiben, dann folgt ihnen. Aber seid vorsichtig. Wir brauchen außerdem Fotos zur Identifizierung, vielleicht könnt ihr euch morgen darum kümmern. Die treffen sich doch, wenn’s noch hell ist. Ich werde morgen beim Verfassungsschutz anfragen, ob die etwas über eine neue rechtsradikale Gruppe wissen.»
Drüben am großen Feuer war es jetzt ruhig.
«Die essen wahrscheinlich gerade.» Florian Bader stieg auf einen Sandhügel und schaute zu den andern hinüber. «Jaja, die essen. Aber wenn die singen, das ist eine echte Strafe. Das sind richtige Hasslieder. Vorhin hatte ich mal das Gefühl, dass die gleich losrennen und alles plattmachen, was ihnen in den Weg kommt.»
«Komm lieber da runter, sonst merkt noch einer, dass du zu ihnen rüberschaust.» Ines wirkte besorgt. «Ich finde, wir brauchen noch ein paar Kollegen in der Nähe, die uns unterstützen, falls wir Schwierigkeiten bekommen.»
«Leider haben wir nicht genügend Leute. Ihr beide seid Beckers letztes Aufgebot. Das hat er jedenfalls behauptet. Wir können nur hoffen, dass mein Kollege Baumann schnell gesund wird, dann sieht es ein bisschen besser aus.»
Sie wurden wieder laut, drüben am großen Feuer. Aber sie sangen nicht, redeten nur so, als wünschten sie, dass andere hörten, was sie sagten. Laura sah auf ihre Armbanduhr. Zwanzig vor zwölf. Wieder hatte sie nicht bei Luca in England angerufen, und wieder war es zu spät.
Warum habe ich es vergessen?, dachte sie. Ich wollte ihn von Vater aus anrufen und habe es vergessen. Ich begreife
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