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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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zwischen sie ins ausgedörrte Gras zu setzen, vielleicht half das, die Barriere zu überwinden. Sie rückten ein bisschen beiseite, als wäre ihnen das zu nah.
    Einige der Gesichter kannte Laura von Spaziergängen an der Isar. Seit Jahren wohnten diese Männer unter den Brücken. Ab und zu schwemmte der Fluss ihre kleine Habe weg, dann vertrieb sie mal wieder die Stadtverwaltung, aber sie kamen immer wieder, unterstützt von Spaziergängern, die Decken und Matratzen spendeten, Geld, Lebensmittel und Weihnachtsgeschenke. Einmal hatte der Oberbürgermeister sogar Betten aufstellen lassen, sehr zum Entsetzen der Oppositionspartei im Stadtrat.
    Jetzt lagen und saßen sie im Schatten der Weidenbüsche wie eine Gruppe von Flüchtlingen aus einem fernen Land.
    «Habt ihr ihn erkannt?», fragte Laura nach einer Weile.
    «Das ist Benno.» Irgendeiner von ihnen sagte das, und alle nickten und murmelten. «Ja, Benno ist das, der alte Benno.»
    Der kleine dünne Mann sprang wieder auf und wankte zum Fluss, um sich erneut zu übergeben.
    «Seid ihr sicher?»
    «Ganz sicher!»
    «Hat er sonst noch einen Namen?»
    Sie schüttelten die Köpfe. Unter den Brücken und auf der Straße brauchte man nur einen Namen. Ralf hieß ja auch nur Ralf.
    Benno also.
    «War er einer von eurer Gruppe?»
    Ich mache einen Fehler nach dem anderen, dachte Laura. Sie sind keine Gruppe, sondern eine Ansammlung von Einzelwesen, die ganz zufällig zusammen unter einer Brücke leben, weil Menschen instinktiv die Nähe anderer suchen. Aber sie bekam eine Antwort, die sie nicht erwartet hatte.
    «Jaja, er war einer von uns. Seine Matratze liegt neben meiner. Schon seit zwei Jahren. War ’n feiner Kerl, der Benno. Hat immer mit andern geteilt, wenn er was hatte. Ist nicht bei allen so. Die meisten klaun dir noch was, selbst wenn sie was haben.» Ein Rothaariger sagte das. Die andern murrten ein bisschen.
    «Und wo liegen eure Matratzen?»
    «Da, unter der Brücke, der Wittelsbacher.»
    «Hat einer von euch letzte Nacht etwas gesehn oder gehört?»
    Die meisten verneinten, einer sagte:
    «Da hört man schon öfters mal was, hier bei den Brücken. Aber das bedeutet nichts. Wir sind alle ein bisschen daneben, Frau Kommissarin. Und dann ist da noch die Eisenbahnbrücke. Wenn da ein Güterzug drüberfährt, dann hört man fünf Minuten lang gar nichts. Da kann einer so laut schrein, wie er will, Frau Kommissarin.»
    «Aber hat einer von euch vielleicht eine Gruppe von jungen Männern gesehen, die euch bedroht hat oder einfach nur randalierte?»
    Sie schauten weg, zuckten die Achseln.
    «Denkt doch mal nach. Es geht um euch! Alles, was ihr gesehen habt, ist wichtig.»
    Der Rothaarige schluckte, kaute auf seiner Unterlippe herum und schlug plötzlich mit der Faust auf die Erde. «Er hat hundert Euro gehabt gestern, der Benno. Und er hat sie rumgezeigt, und ich hab ihm noch gesagt, dass er das lassen soll!»
    Die andern fuhren auf, fluchten, einer schlug sogar nach dem Rothaarigen.
    «Hey!» Laura stand auf. «Reißt euch ein bisschen zusammen, ja!»
    In diesem Augenblick kam Andreas Havel vom Ort des Verbrechens herüber.
    «Übrigens», sagte er. «In der Hosentasche des Toten habe ich gerade hundert Euro gefunden. Hat jemand eine Ahnung, wo er die herhatte?»
    Aufatmen. Aber noch immer böse Blicke auf den Rothaarigen. Der kleine Dünne erbrach sich schon wieder.
    Bei den Einsatzfahrzeugen und den rot-weißen Absperrungen tauchten Florian Bader und Ines Braun auf. Laura ging ihnen entgegen.
    «Guten Morgen. Nehmt bitte die Aussagen der Herren hier auf. Und zwar einzeln. Vielleicht fällt doch noch dem einen oder anderen etwas ein. Bisher war es jedenfalls nicht viel. Und lasst euch die Matratze des Toten zeigen. Irgendwo unter der Wittelsbacher Brücke. Wenn ihr damit fertig seid, möchte ich mich mit euch in meinem Büro zusammensetzen und die weiteren Schritte besprechen. Ruft mich auf dem Handy an, wenn ihr so weit seid.»
    Die beiden Kollegen nickten, wirkten ein bisschen schuldbewusst.
    «Es tut uns leid, dass wir erst jetzt kommen. Aber wir haben die Gruppe bis drei Uhr früh beobachtet. Bisschen Schlaf braucht der Mensch.»
    «Ja, sicher. Fragt mal, wer von denen den Toten aus der Isar identifizieren könnte. Vielleicht gibt es ja Freiwillige. Und seid nett zu ihnen. Die haben Angst.»
    «Natürlich, Frau Haupt …»
    «Laura. Bitte nur Laura. Das wird uns bei den Ermittlungen helfen. Und auch menschlich könnten wir weiterkommen.»
    Florian Bader

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