Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Name.»
«Er ist gar kein Teufel, wenn Sie das meinen, Commissario. Manchmal liegt er stundenlang auf meinem Schoß und schnurrt wie ein kleines Kätzchen. Er hat mich sehr vermisst, sagt meine Haushälterin. Suchte mich jeden Tag.»
«Was ist mit seinem Auge passiert?»
«Ein Auto hat ihn angefahren. An der Straße nach Asciano. Ich habe ihn gefunden und wieder aufgepäppelt. Das ist zwei Jahre her. Aber jetzt sind wir noch enger verbunden, Diavolo und ich. Jetzt, nachdem auch ich im Graben gelegen habe, genau wie er.»
Sie trat zurück und machte eine einladende Geste.
«Kommen Sie aus der Hitze, Commissario.»
Guerrini folgte ihr ins Haus und schaute sich erstaunt um. Von den Verwüstungen des nächtlichen Überfalls war nichts mehr zu sehen. Alle Möbel standen wieder an ihrem Platz, die Bücher waren ordentlich in die Regale geräumt, Sofas und Sessel neu bezogen. Guerrini erinnerte sich, dass alle Polster damals aufgeschlitzt worden waren. Auch die Gemälde von Elsa Michelangeli hingen wieder an den Wänden. Bei einigen allerdings war die Leinwand zusammengeklebt. Pflaster bedeckten die Schnittstellen. Die Malerin bemerkte Guerrinis Blick und nickte grimmig.
«Ich habe die Verletzungen ins Bild integriert. So ist etwas Neues entstanden, etwas sehr Stimmiges. Oder erscheint es Ihnen zu aufgesetzt, Commissario?»
Er schüttelte den Kopf.
Sie stand jetzt vor ihm, Licht fiel aus einem gelbgetönten Seitenfenster und ließ ihr weißes Haar aufleuchten, zeichnete die tiefen Linien in ihrem Gesicht weich. Sie stützte sich auf einen Stock mit silbernem Griff und erschien leicht gebeugt, nicht mehr so aufrecht wie vor dem Anschlag auf ihr Leben.
«Es ist beinahe wieder so wie früher, nicht wahr?» Langsam ließ sie ihren Blick durch den Raum wandern. «Äußere Schäden kann man reparieren. Die inneren nicht so leicht. Kommen Sie in die Küche, Commissario. Wir machen uns Kaffee, wie beim letzten Mal, und essen panforte – meine Haushälterin hat es selbst gemacht. Es ist nicht so schwer wie das gekaufte.»
Nachdenklich folgte Guerrini ihr. Elsas Ton war ungewohnt vertraulich. Bisher hatte er sie vor allem distanziert erlebt, allerdings großartig im Inszenieren dramatischer Auftritte.
«Ich habe inzwischen eine Kaffeemaschine», fuhr sie fort. «Alles, was die Dinge des Lebens erleichtert, ist mir neuerdings willkommen. Ich bin noch nicht ganz so gut repariert wie mein Haus.»
«Das kann ich mir denken. Wie geht es Ihnen, Signora?»
«Jeden Tag anders. Meistens habe ich Schmerzen, manchmal nicht.»
Sie füllte Espressopulver und Wasser in die Kaffeemaschine, schaltete sie ein und wies auf einen Teller mit kleinen Stücken des Sieneser Mandelkuchens. «Würden Sie das bitte ins Wohnzimmer tragen, Commissario? Auf der Terrasse können wir nicht sitzen. Diese Hitze hat etwas Unheilvolles. Ich habe gar kein Wasser mehr hier oben. Der Gärtner bringt es in Tanks aus Buonconvento. Ich wasche mich nur noch in einer kleinen Schüssel und spare jeden Tropfen. Das Waschwasser gieße ich auf die Pflanzen oder in die Toilette. Ist es nicht eigenartig, dass Wassermangel uns Menschen ein Stück Würde nimmt? Ich meine, wenn man seine Ausscheidungen nicht mehr fortspülen kann, dann ist das sehr unangenehm. Stellen Sie sich vor, das geschieht in den Städten. Ich denke, wir sind nicht mehr weit davon entfernt.»
Aus dem ersten Stock drangen Schritte. Jemand ging dort herum, genau über ihren Köpfen. Fragend sah Guerrini die Malerin an.
«Das ist meine Freundin und Schülerin Michela. Sie ist der Meinung, dass ich unmöglich allein hierbleiben kann. Also spielt sie Krankenschwester und Assistentin. Nun ja, Georgia O’Keeffe hatte auch einen Assistenten, als sie älter wurde. Ihren Lieblingsschüler. Kennen Sie Georgia O’Keeffe, die berühmte amerikanische Malerin? Ich habe viel von ihr gelernt. Sie hat das Wesentliche einer Landschaft erfasst, das Wesentliche der Erde. Deshalb ist sie in die Wüste von Neumexiko gezogen. Die Toskana hat in dieser Gegend auch etwas von einer Wüste. Deshalb lebe ich hier. Woanders kann ich nicht arbeiten.»
Guerrini nickte. «Ich habe einen Bildband mit Gemälden von Georgia O’Keeffe. Sehr beeindruckend.» Und er dachte: Wohin führt unser Gespräch, weshalb ist sie so anders? Hat das Koma sie verändert? Das Trauma des schwarzen Geländewagens, der auf sie zuraste und sie anfuhr? Der Tod ihres platonischen Lebensgefährten Altlander?
Er stellte sich vor ein riesiges
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