Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
nie, was dann passiert.»
D’Annunzio zog eine Grimasse, die er für lässig hielt, aber der Commissario hatte sich bereits abgewandt und war auf dem Weg zu seinem Büro, getrieben von einer gewissen Neugier.
Vor seinem Zimmer verharrte er und horchte auf die Geräusche, die aus Tommasinis Büro herüberklangen. Dann ging er kurz entschlossen hinüber und schaute durch die halboffene Tür.
«Tommasini!», rief er und kam sich völlig albern vor – beinahe so schlimm wie sein Stellvertreter Lana.
«Tommasini hat heute frei.» Ihre Stimme war klar, nicht zu hoch. Es rumpelte. «Kommen Sie doch rein!»
Guerrini schob die Tür auf und machte zwei Schritte vorwärts.
«Dieser Schreibtisch ist eine wahre Antiquität!» Sie richtete sich auf, lachte und wies auf eine klemmende Schublade.
Sie war eine Bombe. Guerrini starrte sie ein paar Sekunden zu lange an, dann senkte er seinen Blick zur Schublade und versuchte seiner Stimme einen völlig normalen Klang zu geben.
«Meiner auch. Ich bin übrigens Ihr Zimmernachbar, Guerrini, Commissario Guerrini. Und Sie sind?»
«Sergente Primavera.» Sie grüßte und streckte ihm die Hand entgegen. Er nahm sie und betrachtete sie dabei: kurze dichte Locken, dunkelblond, sehr dunkle große Augen, kräftig geschminkt, leicht gebräunter Teint, voller Mund. Sie hatte ein Grübchen, war schlank und ungefähr dreißig. Die Uniform – das leichte Sommerhemd und die Hose – stand ihr ausgesprochen gut.
«Dann sind Sie wohl mein Vorgesetzter, Commissario.»
«Es sieht so aus, Signora … oder Signorina?»
«Signora. Aber das ist wohl nicht so wichtig.»
«Nein, wahrscheinlich nicht.»
«Seltsam, dass es diese Unterscheidung bei Männern nicht gibt, finden Sie nicht, Commissario?»
«Doch, das finde ich auch.»
«Wirklich?»
Guerrini begann zu lachen. «Was wollen Sie von mir, Sergente? Ich habe diese merkwürdigen gesellschaftlichen Regeln nicht geschaffen.»
«Aber Sie wollten wissen, ob ich eine Signorina oder eine Signora bin.»
«Nun, einen männlichen Kollegen hätte ich vermutlich gefragt, ob er verheiratet ist oder nicht.»
«Aber dabei bliebe er immer noch ein Signore.»
«Ja, ich kann es nicht bestreiten. Woher kommen Sie, Signora?»
«Aus Rom.»
«Ah.»
«Da sind sie auch nicht weiter als hier, wenn Sie das meinen, Commissario.»
Guerrini überging diese Bemerkung.
«Arbeitet Ihr Mann auch in Siena?»
«Nein, er ist in Rom geblieben. Ich bin ja nur zur Aushilfe hier, und er hat einen ziemlich guten Job.»
«Bene. Dann machen Sie es sich bequem inmitten der Antiquitäten. Der Vicequestore wird sich sicher bei Ihnen melden, um Sie kennenzulernen. Der Vicecommissario vermutlich auch. Ich selbst habe heute Vormittag auswärts zu tun und bin erst am Nachmittag zurück. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, wenden Sie sich an D’Annunzio. Buongiorno, Sergente.»
Guerrini kehrte in sein Büro zurück und schloss die Tür hinter sich. Interessant, dachte er und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es wird nicht leicht für Vicecommissario Lana werden. Mit Gockeln wird er bei dieser Dame nicht besonders weit kommen.
Er überprüfte seine E-Mails, fand aber vor allem lange Rundschreiben der übergeordneten Behörden und machte sich auf den Weg zu Elsa Michelangeli. Zuvor aber trank er am Rand des Campo noch einen Cappuccino und aß ein Hörnchen. Dabei drängte sich die Signora Primavera in seine Gedanken. Sie war sehr hübsch, die neue Kollegin, und intelligent. Jedenfalls hatte er bisher noch nie einen so ungewöhnlichen Dialog mit einem männlichen Kollegen geführt, der neu im Amt war. Eine Bombe, in jeder Beziehung, da hatte Capponi schon recht. Ihre Anwesenheit beunruhigte ihn auf einer tieferen Ebene, mit der er sich in diesem Augenblick nicht befassen wollte.
ES GAB KEINE besonderen Neuigkeiten, als Laura kurz nach acht im Präsidium ankam. Außer Claudia hatte niemand bemerkt, dass sie nicht pünktlich zum Frühdienst erschienen war. Kommissar Baumann war noch immer krank, und ihre kleine Soko hatte sich bisher nicht sehen lassen. Claudia äußerte Erstaunen über Lauras knallgrünes Sommerkleid und murmelte etwas wie: «Hoffentlich gibt’s keinen Einsatz.»
Laura ließ ein Ferngespräch auf Privatkosten registrieren und rief die Nummer der Gasteltern ihrer Kinder in England an. Es meldete sich die Mutter.
«Yes, they are fine. You have lovely children, Missus Gottböörg.»
Nein, Laura konnte ihre Kinder nicht sprechen, sie waren
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