Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Gemälde, das einen Teil der Wand einnahm, die Eingangshalle und Wohnbereich trennte. Das Bild zeigte die kahlen Hügel der Crete, verwandelte sie in dunkle Meereswogen, die sich in der Unendlichkeit verloren. Auch auf diesem Bild war ein gezackter Riss zu sehen, der verklebt und blutrot übermalt worden war.
«Verwundetes Bild einer verwundeten Landschaft, geschaffen von einer verwundeten Malerin!» Elsa Michelangeli stampfte mit ihrem Stock auf den Steinboden und lachte bitter auf. «Ich muss Ihnen danken, Commissario. Wenn Sie mich nicht gefunden hätten da draußen, wäre ich gestorben. Das haben die Ärzte gesagt, als ich wieder anfing zu denken. Kommen Sie, Commissario. Trinken Sie Kaffee mit mir!»
Sie tranken bitteren schwarzen Espresso und aßen dazu den süßen schwarzen Kuchen. Guerrini wählte das kleinste Stück. Er vertrug panforte nicht besonders gut. Was hatte sie gesagt? Ich muss Ihnen danken! Nicht: Ich möchte Ihnen danken oder: Ich bin Ihnen dankbar. Vielleicht wollte sie gar nicht gerettet werden. Vielleicht wäre sie Altlander gern gefolgt, jetzt, da sie wieder darüber nachdenken konnte.
Irgendwann, vor den Fenstern herrschte inzwischen eine Art Sandsturm, fand er es an der Zeit, seine Fragen zu stellen. Er begann vorsichtig, erzählte Elsa von der Zeit ihres Komas, dass er sie besucht, immer wieder neben ihrem Bett gesessen hatte. Sie nickte nur und versuchte dann, das Gespräch auf den Sandsturm zu lenken, den Klimawandel, der Italien möglicherweise in eine Halbwüste verwandeln würde, in ein wasteland . Um ihren Mund zuckte es, wasteland hieß der Landsitz ihres Freundes Altlander.
«Bene», murmelte Guerrini, «es ist gut möglich, dass all diese schrecklichen Voraussagen eintreffen, aber mich interessiert im Augenblick etwas ganz anderes: Warum haben Sie mir eigentlich damals verschwiegen, dass Ihr Wagen in der Reparatur war und Sie mit einem kleinen Fiat unterwegs waren. Genau dieser Fiat ist nämlich vor dem Haus Altlanders gesehen worden, und das war zwölf Stunden bevor Sie den Tod Ihres Freundes der Polizei meldeten.»
«Ach, hören Sie auf. Das hat Ihnen Raffaele Piovene erzählt, nicht wahr?» Sie wies auf die Terrassentür, wo der einäugige Kater aufgetaucht war und mit ausgefahrenen Krallen an der Scheibe kratzte. «Könnten Sie Diavolo hereinlassen!»
Guerrini stand auf und öffnete die Tür einen Spaltbreit, um nicht zu viel Staub ins Haus zu lassen. Diavolo schlüpfte an ihm vorbei und verschwand in der Küche.
«Könnten Sie mir noch einmal beschreiben, wie Sie Giorgio Altlander vorgefunden haben?»
«No, Commissario! Ich habe es vergessen. Das Koma hat meine Erinnerung daran zerstört. Als ich aufwachte, wusste ich nicht einmal mehr, dass Giorgio tot war. Mi dispiace molto … Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich kann Ihnen überhaupt nicht helfen.» Ihre Stimme klang abweisend und müde.
Als hätte sie nur auf ihr Stichwort gewartet, stand plötzlich die Frau namens Michela im Raum.
«Buongiorno, Commissario», sagte sie und warf mit einer schnellen Kopfbewegung ihre langen schwarzen Haare zurück. «Ich fürchte, dass dieses Gespräch ein bisschen zu viel für die Signora wird. Sie ist noch lange nicht wieder gesund und sollte sich nicht aufregen.»
«Natürlich, das verstehe ich vollkommen!» Guerrini erhob sich. So wie Michela könnte eine junge Elsa ausgesehen haben, dachte er. Dieselben dunklen Augen, der Gesichtsschnitt, sogar die Größe.
Michela warf ihm einen kurzen Blick zu, und als hätte sie seine Gedanken gelesen, sagte sie: «Ich bin eine Nichte der Signora. Eine Nichte und Freundin.»
Sie begleitete Guerrini nicht hinaus, sondern nickte ihm nur zu. In der Eingangshalle lag der Kater Diavolo auf einem Sessel und schickte dem Commissario sein Tigergrollen hinterher.
Später, als er seinen Wagen langsam durch den Sandsturm lenkte, der noch immer die Erde der ausgedörrten Felder davontrug, erinnerte Guerrini sich daran, dass Giorgio Altlanders Liebhaber, Enzo Leone, voller Hass über Elsa gesprochen hatte. «Die alte Hexe» hatte er sie genannt. Das kannte Guerrini von seinem Vater.
«Sie hat Altlander geliebt, die alte Hexe!» An diesen Satz von Leone konnte Guerrini sich genau erinnern. Und er entsprach sicher der Wahrheit, dieser Satz. Jahrzehntelang hatte sie ihn geliebt, und Altlander benutzte sie als Vertraute, Mutter, Muse, aber er missachtete die liebende Frau, weil er nur Männer liebte.
Was wäre, wenn Elsa am Morgen von
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