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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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einer Form, die irgendwie zu dieser Nacht und zu Lauras Unruhe passte.
 
Einem Armen wird heutzutage überall unfreundlich, negativ begegnet. In einer Welt, geprägt von Wettlauf, Kampf, Konkurrenz, ist der Arme derjenige, der verloren hat, abgestürzt, zurückgefallen ist.
Der Arme sollte uns aus den Augen gehen.
Im übrigen blickt auch der Arme selbst voll Verachtung auf seinen Leidensgenossen. Er sieht in ihm nämlich eine Karikatur, eine schlechtere Ausgabe seiner selbst, die eigene Niederlage.
     
    Auch das hatte Laura viele Male erfahren – eine Haushälterin, die voll Verachtung über einen Kellner redete, Obdachlose, die auf andere Penner herabsahen, als wären sie Dreck. Aber als noch schlimmer hatte sie stets die Verachtung empfunden, die Arme oder Obdachlose für sich selbst hatten. Auch Ralf war nicht frei davon.
    Der nächste Schritt derer, die Angst vor dem Absturz hatten, war Gewalt gegen die, die schon abgestürzt waren. Die Vernichtung dessen, was Angst macht, aus Furcht genauso zu enden. Auch das konnte ein Motiv sein.
    Laura knipste das Licht aus und legte sich flach auf den Rücken, die Arme ein wenig abgespreizt. Ihre Haut war schon lange getrocknet, ihr Magen fühlte sich deutlich besser an. Der Hexentee schien zu wirken. Schlafen konnte sie trotzdem nicht, sank nur in entspanntes Dahindämmern, dachte an Angelo und fragte sich, wie es wohl weitergehen würde mit ihm.
    Um halb zwei schreckte das Telefon sie auf. Es war die junge Kollegin Ines.
    «Wäre gut, wenn Sie kämen, Laura. Hier bricht gerade der Krieg aus. Haben schon Großeinsatz ausgelöst.»
    «Die Punks gegen die Neonazis?»
    «Oder umgekehrt, außerdem sind da auch noch andere Gruppen beteiligt und möglicherweise auch Anwohner.»
    «Bin schon unterwegs!»
    Laura sprang aus dem Bett, schlüpfte in Jeans und T-Shirt, zog die kugelsichere Weste an und steckte ihre Dienstwaffe ein. Während sie sich anzog, empfand sie plötzlich ein Gefühl freudiger Erregung. Vielleicht war das der Knall, den sie erhofft hatte, vielleicht kamen die Dinge endlich in Bewegung.
     
    Wildes Getümmel herrschte auf den Straßen entlang der Isar, als Laura ihren Dienstwagen auf die Corneliusbrücke zusteuerte. Sie hatte das Blaulicht eingeschaltet und passierte zwei Absperrungen, ehe sie den BMW zwischen den Einsatzwagen auf der Brücke abstellte. Als sie ausstieg, hörte sie aus dem Flussbett Laute, die sie an Kriegsgeschrei erinnerten. Es klirrte, brüllte, krachte da unten, als fände eine mittelalterliche Schlacht statt. Über diesem Gefechtslärm gellten die Martinshörner der Polizeifahrzeuge und Krankenwagen.
    Kollegen vom Bundesgrenzzschutz waren dabei, Scheinwerfer auf der Brücke aufzustellen, um das Gelände von oben zu beleuchten. Laura fragte nach dem Einsatzleiter und erfuhr, dass der gerade in Richtung Ludwigsbrücke unterwegs sei.
    «Mit den Scheinwerfern wird’s aussehen, als würd jemand an Film drehen!», grinste ein junger Kollege. «Is sowieso wie a Film. Ham S’ ‹Gangs of New York› g’sehen, so ist des da unten. Da gengan S’ besser nicht hinunter, Kollegin. Ein Veilchen ham S’ ja schon!»
    Laura verzichtete auf eine Antwort und versuchte stattdessen, ihre Mini-Soko zu erreichen. Als Florian Bader sich meldete, wurde sie Zeugin wilder Wortgefechte. Ines und Florian versuchten offensichtlich, unter der Ludwigsbrücke kampfbereite junge Leute zu beruhigen, die ihre Grillplätze auf den Kiesbänken verlassen hatten, um selbst aktiv zu werden. «Lasst uns durch!» «Die gehen uns schon lange auf die Nerven!» «Ihr seid wohl blöd! Neonazis beschützen!» «Selber Nazis!» «Scheiß-Bullen!» Laura konnte übers Handy mithören.
    «Wir werden sie nicht zurückhalten können! Die sind ganz wild auf Action!»
    «Wie viele seid ihr?»
    «Sechs und die ungefähr vierzig oder fünfzig.»
    «Spielt nicht die Helden. Lasst sie durch, wenn’s brenzlig wird!»
    «Aber …»
    «Nix aber! Die laufen direkt in eine Hundertschaft! Ich kann das von hier sehen!» Laura unterbrach das Gespräch. Was sie gesagt hatte, stimmte nicht. Ganz im Gegenteil erhielt – welche der kriegerischen Gruppen auch immer – kräftige Verstärkung vom Hochufer aus. Weil die Treppe an der Zeppelinstraße von der Polizei abgeriegelt war, ließen sich die Rauflustigen an der Mauer zum Flussufer hinunter und pirschten sich im hohen Schilf an wie Indianer auf dem Kriegspfad oder Guerillakämpfer. Es roch nach Holzfeuern, ab und zu wurde mitten unter den

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