HUNGER & LUST: Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz (German Edition)
Entwicklungen anregen. Bilden Sie sich bitte Ihr eigenes Urteil.
Bleiben wir noch kurz bei den Kindern und anderen gelegentlich paradox wirkenden Erziehungs- und Werbemaßnahmen von Politikern und Funktionären. Mitte September 2008 verabschiedete das Europaparlament eine Entschließung, besonders „Kinder sollten sich mehr bewegen, mehr Sport treiben und sich ausgewogen ernähren“. Dazu möchten die Parlamentarier auch den Verkauf von Süßigkeiten und zuckerhaltigen Getränken an Schulen einschränken. Stattdessen sollen mehr Obst und Gemüse angeboten werden. Fast zeitgleich präsentierte die EU-Kommission zusammen mit dem Europäischen Fußballverband UEFA das Kinderkochbuch „Kochen mit Kick“, das ein Bewusstsein für gesundes Essen schaffen will. Junge Fans sollen damit zu gesunder Ernährung ermuntert werden. Was dazuwohl der Deutsche Fußballbund DFB sagt, zu dessen „Partnern“ 2008/2009 beispielsweise ein Süßwarenproduzent, eine Fast-Food-Kette und ein Hersteller zuckerhaltiger Getränke gehören (sowie „sportliches“ Bier, aber das nur am Rande erwähnt)?
Vielleicht helfen die folgenden Studienergebnisse der Universität Maryland von 2008 den Fußballfunktionären bei der Rechtfertigung ihrer Partnerwahl: Sowohl die quantitative Analyse als auch die qualitative Bewertung sämtlicher verfügbarer Studien zum Gewichtseffekt zuckerhaltiger Softdrinks bei Kindern (und Erwachsenen) ergaben, dass der Zusammenhang zwischen dem Konsum dieser Getränke und dem BMI gegen null tendiert. Und in Sachen Bewegung fassen wir noch schnell die Ergebnisse der britischen Earlybird-Langzeitstudie aus 2010 zusammen: Weder bei Jungen noch bei Mädchen konnte ein Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Veränderungen in der Körpermasse oder beim Fettanteil über die elf Jahre Studienzeit beobachtet werden. Verblüffend, nicht wahr?
Elterliche Verantwortung mit den »3 V«
Kinder und Jugendliche brauchen sicher keine Erziehungsmaßnahmen, die maßgeblich verstandesgesteuertes Essen zum Ziel haben. Viel wichtiger ist es, dass Eltern und Versorgungseinrichtungen die „3 V“ beherzigen: Vielfalt, Verfügbarkeit, Vorleben . Erziehungsberichtigte sollten ihrer Pflicht nachkommen, dem Nachwuchs stets Vielfalt und Abwechslung auf den Teller zu bringen – am besten, die Kinder können täglich etwas anderes kosten. Und das ist hierzulande sicher kein Problem. Idealerweise sind immer unterschiedliche Nahrungsmittel zu Hause verfügbar , und die Eltern leben vielfältigen Genuss authentisch vor – beispielsweise bei gemeinsamen Mahlzeiten am Tisch, die auch zur Entwicklung der kindlichen Esskultur beitragen.Und nicht nur das, wie die University of Illinois im Februar 2011 mitteilte: Kinder aus Familien, die regelmäßig gemeinsam essen, haben ein geringeres Risiko sowohl für Essstörungen als auch für Fettleibigkeit und werden seltener suchtkrank. Auch die Franzosen sehen ihre Tradition der gemeinsamen Mahlzeiten als eine Ursache für die geringe Zahl an Adipösen im Land des „savoir-vivre“.
Am gemeinsamen Esstisch können Eltern auch die Reaktion der Kinder auf ein vielfältiges Angebot gut beobachen: Bieten Sie den Kleinen daher immer wieder verschiedene Nahrungsmittel an und lassen Sie sie selbst entscheiden, was ihnen schmeckt. Unbekanntes Essen probieren sollte zum festen Bestandteil gemeinsamer Familienmahlzeiten werden , damit Kinder stets neue Geschmäcker kennen lernen. So kann sich die Kulinarische Körperintelligenz zum Wohle der Kinder frei und frühzeitig entwickeln. Beispielsweise mag jedes dritte Kind weder Obst noch Gemüse. Deren kleine Körper werden ihre Gründe haben, warum sie die kalorienarme Kost in jungen Jahren ablehnen und als Lieblingsessen stattdessen „Kraftfutter“ wie Pizza, Pommes und Nudeln oder Fischstäbchen und Schnitzel sowie alles Süße wünschen. Vielleicht, weil diese Leckereien die nötige Energie zum Wachsen liefern? Sehr wahrscheinlich. Denn der gesunde kindliche Organismus reguliert die Nahrungsaufnahme noch ungestört intuitiv, sodass sein Energiebedarf genau gedeckt wird. Zur Vorliebe für zuckerhaltige Lebensmittel gaben beispielsweise Experten der Universität Washington 2009 bekannt: „Wir wissen, dass die Vorliebe für Süßes mit dem körperlichen Wachstum einhergeht. Diese Verbindung macht Sinn, denn in der Zeit, in der Kinder schnell wachsen, braucht ihr Körper auch mehr Kalorien.“ Und die holt er sich dann bevorzugt aus schnell verfügbaren
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