HUNGER & LUST: Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz (German Edition)
abwechslungsreich und auch mit geringen Küchenkenntnissen leicht nachzukochen. Dabei wurden weder Fast Food noch Fertiggerichte serviert, sodass auch das Urteil der beratenden Ökotrophologin positiv ausfiel: ein ausgewogener Ernährungsplan trotz kleinen Budgets. Viele Portionen seien aber sehr groß.
Doch nicht nur der Spielraum im Geldbeutel lässt uns vom Luxus der Einfachheit bis zu edler Hochpreisigkeit gerne zu viel essen, auch eine in Urzeiten lebenserhaltende Eigenschaft trägt dazu bei: Der Mensch isst gerne noch eine gewisse Zeit weiter, auch wenn er bereits satt ist – aus purem Vergnügen . Nach Erkenntnissen des University College London ist das Großhirndaran schuld, das uns nach erfolgter Sättigung noch eine Weile aus reiner Lust am Essen weiterschlemmen lässt. Wie gut unser Gehirn diese lustvolle Steuerung beherrscht, belegen Untersuchungen der Cornell University in Ithaca im US-Bundesstaat New York mit „sich selbst nachfüllenden“ Suppentellern. Die Testpersonen aßen Suppe, die durch eine Öffnung im Teller unbemerkt nachgefüllt wurde: Der Teller konnte nicht leer gegessen werden. Waren die Probanden von einem „normalen“ Teller satt, löffelten sie von der nachgefüllten Suppe mindestens die Hälfte mehr, bis sie sich genauso satt fühlten wie nach der „normalen“ Portion.
Andere Untersuchungen mit XXL-Menüs oder Essen auf großen Tellern bestätigen die Grundtendenz der menschlichen Natur, zu viel zu essen: Wenn das Angebot vorhanden ist, greifen wir gerne über Bedarf zu. Und das Angebot an Nahrung ist hierzulande zweifellos paradiesisch. Neben den „bösen“ XXLPackungen stehen gemäß Studien der Universitäten Lissabon und Arizona inzwischen auch die Miniportionen am Pranger: Die harmlos wirkenden, kleinen Packungen führen insbesondere bei Diätwilligen zum Selbstbetrug und Mehrverzehr, weil sie die Hemmschwelle zum Naschen senken. Ob XXL oder XXS – wir essen also immer zu viel?
Professor Brian Wansink von der Cornell University hat sich dieses Phänomen zur Forschungsaufgabe gemacht: Warum essen die Menschen in unseren Breiten mehr als nötig? Seine These lautet: Wir achten oft nicht darauf, was und wie viel wir essen. Vieles hängt von den Umständen wie „anderen Menschen am Tisch“ oder der „Größe des Geschirrs“ ab. Er nennt dieses Phänomen „Mindless Eating“: essen, ohne nachzudenken. Wenn Sie sich die vorherigen Kapitel vor Augen führen, ist diese Tendenz grundsätzlich zu begrüßen. Während des Essens sollten Sie nicht lange nachdenken – Sie sollten mit allen Sinnen EchtEssen und genießen. Und zwar nur dann, wenn Sie hungrig sind, und nur das, was Ihnen wirklich schmeckt. Dass Sie während des Essens keine Adrenalin ausschüttenden Diskussionen über polarisierende Themen wie „Braucht Deutschland die Todesstrafe?“ oder „Müssen Pädophile kastriert werden?“ führen sollten, versteht sich im Grunde auch von selbst. Denn dann wird das Essen zur Nebensache, und Sie diskutieren erregt mehr, als Sie entspannt genießen. „Ist mein Teller schon leer? Ich habe gar nichts mitbekommen“ – da wären wir bei den negativen Effekten von Herrn Wansinks Theorie. Ergo: Wenn Sie essen, sollte Ihre Hauptaufmerksamkeit Ihrem Essen gebühren, nicht anderen Aktivitäten . Und am besten nehmen Sie sich die Zeit zum Genießen, die Sie benötigen – ohne Zeitdruck, ohne Hektik. Wobei natürlich auch hier gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel. Denn auch gelegentliches „Mindless Eating“ in netter Gesellschaft kann Spaß machen und ist völlig unproblematisch für Echte Esser.
Glücklose Glyxer
Kommen wir noch mal konkret auf das „Rein-Raus-Prinzip“ zurück: Dessen folgende wissenschaftliche Bestätigung mag alle Leser überraschen, die an die Wirkung der sehr populären „LowCarb-“ oder „Glyx-Diät“ glauben (zumindest dem Sprachwitz gebührt Respekt). Denn es spielt keine Rolle, ob eine Diät niedrig oder hoch glykämisch ausgerichtet ist: Für den Erfolg einer avisierten Gewichtsabnahme ist allein die Gesamtmenge an aufgenommener Energie in Relation zum Verbrauch verantwortlich (Energiebilanz) . So lautet das Fazit einer Untersuchung von US-Forschern der Universität Boston, die Übergewichtige ein Jahr lang mit fest definierter kalorienreduzierter Kost entweder mit einer hohen oder einer niedrigen glykämischen Lastversorgten. Zur Erläuterung: Eine „LowCarb“-Ernährung mit wenigen Kohlenhydraten (niedrige glykämische Last) lässt
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