HUNGER & LUST: Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz (German Edition)
hat auch großen Einfluss darauf, wie gut oder schlecht wir Nährstoffe aus dem Darm aufnehmen. Außerdem liegt es in den Genen, wo sich das Fett in unserem Körper ansiedelt. So wird der größte Teil unserer Gewichtskontrolle durch „Genvarianten bestimmt und es gibt unübersichtlich viele Kombinationsmöglichkeiten“, erklärt Professor Hans-Georg Joost, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung. Auf diese genetische Festlegung des Körpergewichts weist eine dänische Langzeitstudie aus 2010 hin: 70 Prozent der Männer, die zu Studienbeginn adipös waren, blieben über die gesamten 60 Studienjahre fettleibig. Jedoch waren nur vier Prozent der schlanken Teilnehmer sechs Jahrzehnte später adipös.
Experten sprechen in Zusammenhang mit dieser genetischen Bestimmung des Körpergewichts vom „Setpoint“ – dem individuellen Idealgewicht des Körpers in seiner aktuellen Umwelt, das er ohne große Anstrengung beibehalten möchte und „verteidigt“ . Die Forschung liefert inzwischen zahlreiche Belege, dass der menschliche Körper die Nahrungsaufnahme so regelt, dass die aufgenommene Energiemenge etwa dem akuten Bedarf entspricht. Dazu sind Hunger und Sättigung ein „exakt aufeinander eingespieltes Team“, das dafür sorgt, dass unser Gewicht relativ konstant bleibt. Eine der wichtigsten Aufgaben unseres Körpers besteht weiter darin, den Energievorrat (Fett) im Setpointbereich stets konstant zu halten: Essen wir zu wenig, drosselt er den Energieverbrauch (S. 180), essen wir zu viel, verbrennt er mehr Energie. Langfristig betrachtet sind Energieaufnahme und Energieverbrauch nahezu identisch, sodass jeder gesunde Körper eines Echten Essers seinen Setpoint beibehält. Dieses Stadium, das sich im Lauf eines Lebens ändert, empfinden zahlreiche Menschen auch als das viel zitierte „Wohlfühlgewicht“ – der Körper hat, was er will und is(s)t zufrieden. „Es ist das Gewicht, bei dem Sie sich wohl und mit Ihrem Körper im Einklang fühlen. Das Wohlfühlgewicht ist so individuell wie das eigene Gesicht“, erklärt dazu die Verbraucherzentrale NRW und empfiehlt, „auf sich selbst zu hören“ und das Wohlfühlgewicht zur persönlichen „Richtschnur“ zu erklären. Wenn Sie Ihren Körper nicht stören und gut kennen, dann wissen Sie aus gelebter Erfahrung, wie Ihre „Richtschnur“ aussieht.
Denn um diesen gewünschten Status quo aufrechtzuerhalten, kommunizieren Darmhirn, Fettgewebe und Gehirn in einem hochkomplexen Netzwerk aus körpereigenen Botenstoffen und Nervensignalen. Schätzungen gehen von Hunderten Genen und mehr als 30 Hormonen aus, die im evolutionär perfektionierten Zusammenspiel unser Körpergewicht durch Hunger und Sattheit regulieren. So weiß man bis heute nicht genau, waswann und warum bei der Steuerung der individuellen Nährstoffaufnahme im Körper alles abläuft. Dieser lebensnotwendige Mechanismus ist einfach zu kompliziert und von unüberschaubar vielen Faktoren abhängig. Daher hat die Natur eine verstandesgesteuerte „Einmischung“ in dieses äußerst komplexe, intuitive Lebenserhaltungssystem nicht vorgesehen. Unser hoch entwickeltes, eigenständig arbeitendes und daher mehrfach abgesicherte System zur Nährstoffversorgung und Erhaltung des Körpergewichts hat sicher maßgeblichen Anteil daran, dass wir uns inzwischen gerne die „Krone der Schöpfung“ aufsetzen. Die menschliche Entwicklung, wie wir sie kennen, wäre ohne unser ausgereiftes Versorgungssystem wahrscheinlich so nicht möglich gewesen. Was halten Sie von der evolutionsbiologisch leicht gewagten, da noch nicht abschließend bestätigten These: Unser autonomes „Esssystem“ war bereits frühzeitig ausgereift und stellte die Lebenserhaltung unserer Vorfahren sicher. Also konnte die Evolution vorwiegend an anderer Stelle im Menschen, wie beispielsweise im Kopfhirn, für effiziente Weiterentwicklung sorgen. Mit steigender Intelligenz verbesserte sich im Lauf der Zeit unser Nahrungsangebot, sodass im Darm(-hirn) derweil „evolutionär optimiert“ wurde: Unser Verdauungstrakt verkleinerte sich auf das Notwendigste, weil sich die Energiedichte unserer Nahrung erhöhte und damit weniger „Zerlegungsarbeit“ erforderlich war (mehr tierische, weniger faserreiche Nahrung) .
Medikamente zur Fettschmelze? Pille-palle!
In Anbetracht dieser Annahme und des heutigen Wissens über die Komplexität des menschlichen Versorgungssystems grenzt es an Übermut zu glauben, dieses evolutionär
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