HUNGER & LUST: Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz (German Edition)
Notprogramm in Gang: Grundumsatz und Wärmeproduktion, die bis zu 80 Prozent der Nahrungsenergie verfeuren, laufen während der Hungerkur auf Sparflamme – beispielsweise bei einer Nulldiät um bis zu 40 Prozent reduziert. Weiter baut der Körper im Hungerzustand energieliefernde Körpermasse ab, leider neben dem gewünschten Fett auch Muskulatur. Insbesondere bei einer Diät ohne Sport werden in den ersten Wochen der künstlich erzeugten Mangelernährung bis zu 25 Prozent der Muskeln eingeschmolzen. Ist die Diät beendet und das Nahrungsangebot wieder mehr als ausreichend, traut unser Organismus dem „Frieden“ nicht und behält seinen erniedrigten Stoffwechsel noch viele Wochen bis Monate bei. Die Folgen sind jedem Diätler sicher bestens bekannt: Kehrt man nach der Schlankheitskur zur gewohnten Essweise zurück, dann nimmt man schneller zu als vorher – weil der Körper die Kalorien noch effizienter hortet; zum Bedauern der Betroffenen meist eher in Fett als in Muskelmasse. Neueren Forschungen aus 2010 zufolge wird der Jo-Jo-Effekt auch durch Entzugssymptome angeheizt, die denen einer Drogenabhängigkeit ähneln und die zu Heißhungerattacken mitFressanfällen führen können. Zu ähnlichen Ergebnis kommen Mäuse-Forscher der University of Pennsylvania: Nach der Diät führt Stress zu kalorienreichen Fressanfällen, weil die künstliche Hungersnot gewisse Hirnfunktionen umprogrammiert und Gene verändert hat (sogenannte „epigenetische Schalter“, siehe S. 192). Dies erkläre teilweise die Gewichtszunahme beim Jo-Jo-Effekt: Eine Diät könnte das Hirn neu programmieren, sodass anschließend bei erhöhtem Stress mehr „emotional“ gegessen wird. Stress wird demnach mit hungerfreiem Essen kompensiert.
Fakt ist: Im schlimmsten Fall führt die rapide Gewichtszunahme während des Jo-Jo-Effekts dazu, dass der Körper nach der Diät und Jo-Jo-Phase nicht nur schwerer, sondern sogar fetter geworden ist . „Dieses Sparprogramm bewirkt, dass später mehr Nährstoffe in die Fettdepots eingelagert werden“, erläutert Professor Thomas Huber, Ernährungsmediziner aus Bad Oeynhausen, einen Effekt des Hungerstoffwechsels. Der Körper hat sich also gegen die nächste Hungersnot gewappnet – und der Teufelskreis des Abnehmens beginnt für viele von vorne. „Diäten sind der falsche Weg zum Wunschgewicht. Sie führen über den Jo-Jo-Effekt sogar häufig zu einer Gewichtszunahme“, erklärte Anfang 2011 auch Dr. Ulrike Roth, Arbeitsmedizinerin beim TÜV Rheinland. Fast zeitgleich warnte DGE-Präsident Professor Helmut Heseker vor Diäten: Sie führen nur zum Jo-Jo-Effekt.
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) hingegen meint, einen Weg gefunden zu haben, der dem Jo-Jo-Effekt entgegen wirkt: Nach einer Diät ein bisschen mehr Proteine zu sich nehmen, dafür weniger „leere“ Kohlenhydrate (Weißbrot, Zucker) essen und am Fett sparen. Dieses revolutionäre Ergebnis einer gerade mal sechs Monate laufenden Studie, deren Teilnehmer im Vorfeld entgegen jeglicher Ernährungsweisheiten mit einem 800 kcal-Formuladrink pro Tag auf Crash-Diätgesetzt wurden, soll nun sogar zur Änderung der europäischen Ernährungsempfehlungen dienen. „Die Diogenes-Studie zeigt, dass die gegenwärtigen Ernährungsempfehlungen nicht ideal sind, um einer erneuten Gewichtszunahme übergewichtiger Personen vorzubeugen“, meint Professor Andreas Pfeiffer, Studienkoordinator beim DIfE. Und Studienleiter Thomas Larsen von der Universität Kopenhagen macht klar, dass man sich nicht an derzeitige Ernährungsempfehlungen halten solle, wenn man die Gewichtszunahme in den Griff bekommen will – sondern sich besser an den Ergebnissen seiner Diogenes-Studie orientiert. Diese vermeintliche Anti-Jo-Jo-Untersuchung tituliert sich übrigens als die „weltgrößte Diätstudie“ – und hat immerhin fast 15 Millionen Euro EU-Gelder verschlungen, um zu den oben genannten, bahnbrechenden Erkenntnissen zu gelangen. Und da diese Diogenes-Ergebnisse nicht im Einklang mit den europäischen Richtlinien zur optimalen Ernährung stehen, fordern die Forscher, die Ess-Empfehlungen nun dringend nachzubessern. Dreimal dürfen Sie raten, wer sicher gerne bereit steht, dafür weitere Forschungsgelder zu verbraten …
Nicht ganz so optimistisch sehen andere Experten die aktuelle Abspecklage Anfang 2011: „Man muss derzeit ehrlicherweise einräumen, dass es keine einzige, politisch vertretbare Maßnahme gibt, die für sich genommen die Verbreitung von
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