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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Karl einen
kameradschaftlichen Rippenstoß ein. »Hör mal, ich bin gerade mal zweiundsechzig
geworden. Vater und Mutter sind erst mit weit über neunzig abgetreten. Ich
befinde mich also mehr oder weniger noch im spätkindlichen
Entwicklungsstadium.«
    »Wie ooch imma, Karlchen, jedenfalls scheinste prima
in Form zu sein. Wenn ick det neue Oriental uffmache, kannste
jleich bei mir als Rausschmeißer anfangen«, feixte der Freund. »Unterm Laden
inner Schlüter is übrijens ‘n jroßer, hoher Keller, wo wa ooch Übungsmatten
rinpacken sollten.«
    Benno wurde plötzlich ernst. »Hast
dennoch Schwein jehabt. Mit ‘ner Eisenstange is nich zu spaßen. Den kleenen
Hansi, der mir immer Kleiderstoff besorcht, hamse jestern Abend bös
zusammenjekloppt. Aber wat sollet. Ende jut, allet jut! – Übrijens,
Gormullowski hat eenen uffjetrieben, der Elektrokram vonnen Amis abstauben kann.
Er bringt det Zeuch nachher bei uns vorbei. – Ach, noch wat! Ick bin vorhin am Adlon vorbeijefahren, oder wat sich noch so schimpft. Der triste Schuppen da
inner Behrenstraße, zum Heulen! Versteh absolut, dass de nie versucht hast da
wieder unterzukommen, ‘ne schäbige Russenkneipe isset, mehr nich.«
    Obwohl der Opel auf dem Weg nach
Tempelhof einmal den Geist aufgab, weil der Heckkessel zu wenig Gas erzeugte
und erst wieder umständlich Holz nachgelegt werden musste, kehrten die Freunde
in prächtiger Laune nach Hause zurück, denn sie wussten, dass es Blutwurst mit
Sauerkraut und Bratkartoffeln geben würde.
    Lilo erledigte den Abwasch, als Hasso
anschlug.
    »Det wirta sein«, sagte Benno und ging
zur Haustür, rief den Hund und sperrte Hasso in die Kammer neben der Küche.
    Klaus Müller, in gewissen Kreisen auch als »Elektro-Klaus«
bekannt und geschätzt, erschien hinter Benno in der Küchentür mit einem
schweren Rucksack. Benno stellte seine Frau und Karl vor. Dann bat er ihn, am
Tisch Platz zu nehmen, und sagte zu Lilo: »Hol mal ‘ne Flasche vom
juten Konjak aussem Keller, Lottchen, et jibt wat zu feiern.«
    Klaus Müller ließ den Sack auf den Boden plumpsen.
»Morgen kriegt ihr auch noch die Lampenfassungen.«
    Elektro-Klaus erwies sich als munterer
Unterhalter und ebenso guter Zecher. Er arbeitete auf dem Flughafen Tempelhof
als »Strippenzieher«. Im Krieg war er Funker bei der Luftwaffe gewesen und
sprach deshalb ein wenig Englisch. Bei den Amis hatte er die Bekanntschaft des
Polen gemacht und war von ihm dann an Benno weitervermittelt worden. Man
besprach ausführlich die anstehenden Bauarbeiten in der Schlüterstraße, auch
dass in dem geplanten Jiu-Jitsu-Übungsraum unter dem Lokal Leitung für Licht
gelegt werden musste. Die Cognacflasche leerte sich nachhaltig. Lilo musste nochmals
in den Keller.
    Als Elektro-Klaus dann erzählte, dass er
bis Kriegsende in der Flugleitstelle von Admiral Dönitz eingesetzt worden war,
horchten alle auf.
    »Dann müsstest du eigentlich wissen, ob
da Ende April noch Lazarettflüge aus Berlin gelandet sind«, fragte Karl
plötzlich ziemlich ernüchtert.
    »Aus Berlin, sagst du? Nein, Ende April
ist überhaupt keine Maschine mehr zu uns durchgekommen. Aus Dänemark vielleicht
noch nach Flensburg, aber garantiert nicht aus Berlin. Das hätte ich
mitgekriegt.«
    Karl biss sich auf die Lippen und griff
nach der Flasche.

 
    7. Kapitel
    Major
Millers Berlin-Erkundungen
     
     
     
    Major Miller hatte seit einigen Wochen
einen neuen Mitbewohner und teilte sich jetzt mit Leutnant John McCullen die
komfortable Wohnung in der Nähe des amerikanischen Offiziersklubs in Dahlem.
McCullen war ebenfalls auf dem Flugplatz Tempelhof beschäftigt. Oft fuhren er
und der Major gemeinsam mit dem beschlagnahmten Horch der Nazischauspielerin
zur Arbeit. Sergeant Burns war noch immer häufig Millers Chauffeur, aber nur in
rein dienstlichen Angelegenheiten. Ansonsten war er der allgemeinen
Fahrbereitschaft in Tempelhof zugeteilt.
    John McCullen, ein dicker Mann aus dem
Mittleren Westen der Staaten, war im Gegensatz zu dem hektischen
Pionier-Oberst, mit dem Miller zuvor zusammengewohnt hatte, ein ruhiger
Zeitgenosse. Seine Aufgabe bestand hauptsächlich darin, die Passagierlisten mit
den Genehmigungen zu vergleichen, deren Duplikate von den westalliierten
Besatzungsbehörden zuvor an die militärische Flughafenverwaltung weitergeleitet
worden waren. Außer den gemeinsamen Fahrten von und nach Dahlem merkte Miller
nicht viel von McCullen, und auch auf dem Flugplatz bekam er ihn selten zu
Gesicht, weil der

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