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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Isolierband zusammengehalten. Im
Vorbeigehen las Karl: »Auch der amerikanische Oberbefehlshaber General McNarney
bezeichnet die Ernährungslage nach wie vor als kritisch.«
    Durch einen breiten, gewundenen Gang aus
zu mannshohen Mauern aufgeschichteten und bereits von Mörtel gereinigten
Ziegelsteinen gelangte Karl schließlich zu der Haustür des Quergebäudes. Er
stieg in den vierten Stock und klopfte dort wie verabredet fünfmal kurz. Aber
erst nachdem er auch seinen Namen gesagt hatte, öffnete der Vermieter mit den
Worten: »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, Herr Meunier.«
    Karl zog sein Portemonnaie aus der
Brustinnentasche, übergab das Geld und erhielt eine Quittung dafür.
    »Wann will denn Herr Hofmann seine Bar
eröffnen?«
    »So schnell es machbar ist. Die
Handwerker stehen quasi Gewehr bei Fuß. Nur an einigen Ausbaumaterialien hapert
es noch. Besonders Elektrokabel und so weiter.«
    »Na, wie ich den Herrn Hofmann kenne,
wird er die schon auftreiben.«
    Karl nickte, sagte: »Das glaube ich auch«, und
verabschiedete sich.
    Als er das Quergebäude verließ,
verstellte ihm der Mann mit der Schiebermütze und der geflickten Brille von
vorhin den Weg. Er war einen halben Kopf kleiner als Karl, aber fast so kompakt
wie Benno. In der rechten Hand hielt er die zusammengerollte Frankfurter
Rundschau, mit der Linken zeigte er Karl einen Zigarettenstummel.
    »Harn Se mal Feuer?«
    »Augenblick«, sagte Karl, der in seiner
linken Hand Hemingways Fiesta hielt. Als er mit der anderen nach den
Streichhölzern in der Hosentasche tastete, wurden der blitzende
Manschettenknopf und die Armbanduhr sichtbar.
    Der Schiebermützige, mit der
Zeitungsrolle ausholend, sprang auf ihn zu. Karl schleuderte verdutzt das Buch
in seine Richtung und glitt einen Schritt aus der Schlaglinie. Der Zeitungsstab
krachte auf die Krone der Ziegelsteinmauer hinter ihm. Hätte der Hieb
getroffen, wäre sein Schädel Brei gewesen, denn als der Mann den Stab wieder
hochriss, sah Karl, dass sein Angreifer eine Eisenstange mit der Zeitung
umwickelt hatte. Noch bevor sich der Schlagarm senkte, hatte Karl den Unterarm
des Mannes beidhändig mit nach oben zeigenden Handflächen gepackt. Ein
gleichzeitiger Kniestoß in den Unterbauch zeigte sofortige Wirkung. Der Mann
krümmte sich, nur um sogleich erneut Bekanntschaft mit Karls Knie zu machen.
Dieses Mal ging die Brille zu Bruch – irreparabel – und die Eisenstange, die
die Hand des Angreifers noch immer gepackt hielt, fiel scheppernd zu Boden.
Aber der Schiebermützige erwies sich trotz der harten Treffer als zäher
Brocken. Mit seiner freien Linken schlug er wild um sich. Zum Glück fehlte den
Hieben die Koordination. Trotzdem streifte einer Karls Stirn. Der hatte noch
immer den rechten Unterarm des Mannes fest gepackt, zerrte ihn nun in einer
halbkreisförmigen Bewegung nach unten und drehte ihn dabei so, dass die Ellenbogenbeuge
zu Boden wies. Dann wechselte Karl blitzschnell den Griff: Mit beiden Händen
umklammerte er das Handgelenk des Angreifers und klemmte den gestreckten Arm
des Mannes, noch immer mit nach unten weisender Ellenbogenbeuge, in seine linke
Achselhöhle. Dabei streifte Karls rechter Jackettärmel einen der
Ziegelsteintürme. Dann riss er das Handgelenk mit einem Ruck hoch. Der Mann
schrie auf. Mit aller Kraft fegte Karl ihm das Standbein mit einer
Fußinnensichel weg. Stöhnend klatschte er bäuchlings zu Boden. Karl löste sich
von seinem Angreifer und holte sich die Eisenstange. Der Schiebermützige
rappelte sich mühsam auf. Als er Karl mit der Stange in der Hand erneut auf
sich zutreten sah, wimmerte er: »Bitte, bitte nich…«
    Karl versetzte ihm bloß einen Fußtritt.
»Verpiss dich, aber’n bisschen dalli!«
    Für jemanden mit einem gebrochenen Arm,
der außerdem zwei herbe Kniestöße verdaut hatte, machte sich der
Schiebermützige in Rekordzeit davon.
    Karl warf die Eisenstange weg, befühlte seine Stirn:
nichts Schlimmes, nur eine Beule. Dann klopfte er den Mörtelstaub vom
Jackenärmel und hob sein Buch auf.
     
     
    Benno erwartete ihn schon in ihrem Stammcafe am
Kurfürstendamm.
    »Mensch, Karlchen, schaust ja außer Wäsche, als hättste
mit’m Kopp Bekanntschaft mit wat Hartem jemacht.«
    Karl betastete seine Stirn. »Stimmt. Mit
einer Faust, genauer gesagt.« Nachdem er dem Freund detailliert von dem Raub ver such
im Hinterhof berichtet hatte, meinte Benno grinsend: »Jratuliere, meen Juter.
Je oller, je doller!«
    Diese Bemerkung trug ihm von

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