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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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dessen Hinterhof
die Remise stand, in der er wohnte.
    Wolfgang Richter stieß einen leisen Pfiff
aus. »Sieh mal einer an, wer da am Steuer sitzt!«
    Brennecke und Wagener schauten durch das
Seitenfenster.
    »Meine Fresse! Hofmann! – Der ist doch
nicht etwa auch hinter den Farben her?«, knurrte Wagener.
    »Zuzutrauen wär’s ihm. Mit Wassilinski
kungelt er ja auch.«
    »Ich dachte, von dem bezieht er nur
Fleischkonserven«, sagte Wagener. »Aber vielleicht ist Hofmann der Grund, dass
der Scheißrusse den Preis für das Papier hochdrücken will?«
    Brennecke schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.
Der lässt die Finger von solchen Geschäften. Die sind einfach nicht seine
Kragenweite. Ich sehe ihn häufiger hier und da. Hofmann verdient sich mit
Lebensmitteln dumm und dämlich.« Er lachte. »Und um Geld zu drucken, fehlt ihm
schließlich das Wesentlichste.«
    »Die Russen drucken in Leipzig auch, was
das Zeug hält, um es den Amis unterzujubeln. Könnte doch durchaus sein, dass
Wassilinski ihm ein paar Druckplatten besorgt hat.«
    Erneut schüttelte Brennecke den Kopf und
griente. »Nein. An die Platten, die die Russen in Leipzig für ihre
Reichsmarkblüten benutzen, kommt auch der verehrte Genosse Oberstleutnant nicht
ran.«
    »Aber was hat Hofmann dann mit
Gormullowski zu schaffen?«
    Brennecke zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Der
Pole ist in letzter Zeit ziemlich umtriebig gewesen. Wahrscheinlich hat er
einen guten Draht zu einigen Amis auf dem Flugplatz, der auch Hofmann von
Nutzen ist. Am Reichstag sehe ich ihn öfter mit Elektro-Klaus die Köpfe
zusammenstecken; der arbeitet ja auch für die Amis.«
    »Schade, dass unser dicker Leutnant nur
ein Bürohengst ist und nichts mit den interessanten Warentransporten zu tun
hat«, sagte Richter. »Neulich haben Adolf und ich ihn mit einem Kasten Blinkköder
beglückt, beste Qualität von einem aus dem Reichsforstministerium. Wir haben
ihm den Bären aufgebunden, dass der Kasten im Besitz von Göring gewesen ist.«
Er kicherte. »Nun, er hat den Köder quasi geschluckt. – Wenn es um exquisites
Angelzeug geht, würde der sogar seine eigene Großmutter verkaufen.«
    Benno Hofmanns Opel bog in die
Gneisenaustraße in Richtung Hasenheide ein.
    Brennecke tastete nach dem Türhebel.
»Haltet euch den Mann unbedingt warm. Wer weiß, wozu er uns noch nützlich sein
kann.«
     
     
    Brennecke ging allein zu Gormullowski. Er
durchquerte den Hinterhof zur Remise.
    Jemand hatte das Radio bei offenem Fenster auf volle
Lautstärke gestellt und hörte die Achtzehn-Uhr-Nachrichten vom RIAS: Auf der
Tagung des Zonenbeirats der britischen Zone war beschlossen worden, die
deutschen Regierungschefs der vier Besatzungszonen zu einer Aussprache über
Probleme der deutschen Wirtschaftseinheit und die einer Zentralregierung
zusammenzurufen. Ferner waren die ersten Volkswagen des Werkes Fallersleben an
deutsche Behörden in der britischen Zone ausgeliefert worden.
    Als Brennecke zum Lkw zurückkehrte,
verlas der Radiosprecher den Wetterbericht. Er nickte seinen Kumpanen nur zu,
worauf die, jeder mit einem leeren Kohlensack unter dem Arm, ihm durch den
Hinterhof zu Gormullowskis Remise folgten. Dort hatte Brennecke einen in die
Fußbodendielen geschnittenen Lukendeckel aufgestellt. Der Hohlraum unter der
Klappe war angefüllt mit runden Druckfarbendosen. Wagener und Richter knieten
sich neben dem Bett des Polen hin und steckten einen Teil der Dosen,
Behältnisse in der Größe von Keksbüchsen und schwer wie Panzerhaftminen, in die
Säcke. Während sie mehrmals zwischen dem Wagen und der Remise hin- und
hergingen, blieb Horst Brennecke in der Remise.
    Als die letzten Farbdosen auf dem Lkw
verstaut waren, kam Richter nervös zu ihm. »Mensch, trödel doch nicht so lange
hier rum, Hotte!«
    »Ich hab den richtigen Schlüssel nicht
gleich gefunden. – So, jetzt ist der Laden dicht!« Er ließ ein dickes
Schlüsselbund in der Brusttasche seines Blaumanns verschwinden, wo sich auch
schon die um ein Springmesser gewickelte Klaviersaite befand.
    Wolfgang Richter schaute durch das
verschmutzte Fenster neben der Tür zu Gormullowskis Behausung und grinste
breit. »Sieht fast aus, als ob er schläft.«
    Aber Stanislaw Gormullowski, der
zusammengerollt auf seinem Bett neben dem wieder abgedeckten Hohlraum lag,
schlief nicht. Er träumte auch nicht von Kalifornien. Tote träumen nicht.
    Brennecke hatte das Springmesser nicht
benutzen müssen. Gormullowski war ein schmächtiger Mann. Die

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