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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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des Raums, den er nicht einsehen konnte. Der Mann mit der
Cordjacke erhob sich und verschwand hinter den Lichtkegeln. Karl hörte, wie der
Unbekannte ihm etwas zuflüsterte. Dann setzte er sich wieder und drehte auch
den linken Lampenschirm derart zur Seite, dass das Licht nicht mehr blendete.
Sein Gesichtsausdruck war wie verwandelt. Der Mann in dem abgewetzten
Cordjackett lächelte!
    An einem zweiten Schreibtisch, ganz
hinten an der Rückwand des Raums, saßen zwei Uniformierte. Ein Oberleutnant und
ein Major. Der Oberleutnant schrieb etwas in eine Kladde, der Major schaute
Karl an.
    Irritiert fragte der auf Englisch: »Ich
würde doch zu gern wissen, warum ich hier befragt werde, falls das gestattet
ist.«
    »Just by mistake, Mister Meunier. Here, please, take your wallet. You
may leave.« Der Mann streckte Karl die Brieftasche entgegen. »Aber vorher
möchte Major Miller noch mit Ihnen reden.«
    Der Offizier war bereits aufgestanden und
trat um den Tisch des Zivilisten herum mit ausgestrecktem Arm auf Karl zu.
»What a pleasure to see you in good health, Mister Charles!«
    »Mein Gott, Mister Miller! – Mister Paul
Miller von der Washington Post, nicht wahr?« Karl und der Major
schüttelten sich lange und herzlich die Hände.
    »So at least, you survived all the ›braunen Spuk‹, Mister
Charles.«
    Karl nickte. »Ja, but it was a narrow escape.«
    Major Miller hakte Karl unter und trat
mit ihm vor den Schreibtisch des Zivilisten. »Bill, Mister Charles ist der Adlon- Hausdetektiv,
von dem ich dir erzählt habe.«
    Auch der Zivilist schüttelte freudig
Karls Hand. »Falls du mich brauchen solltest, Bill, ich bin mit Mister Charles
in der Kantine.« An Karl gewandt, fügte er hinzu: »Selbstverständlich nur,
falls Sie nach Ihrem unfreiwilligen Aufenthalt hier überhaupt noch Lust haben,
mit mir einen Kaffee zu trinken.«
    »Unbedingt, Major. – Zumal sich bei mir
der Verdacht auf Verteilung von Falschgeld nicht bestätigt zu haben scheint,
nehme ich Ihre freundliche Einladung sehr gern an.«
    Major Miller und Bill Gleason blickten
sich verblüfft an, dann lachte Miller lauthals los. »Immer noch der alte Profi,
Mister Charles!«
    »Ich will es nicht leugnen, Major. Wenn
das eine gewöhnliche Razzia gewesen wäre«, Karl entblößte das Handgelenk mit
der Micky-Maus-Uhr, »hätte man mir deshalb bestimmt einige Fragen nach dem
Woher gestellt. Aber da sich alle nur für die Geldscheine in meiner Brieftasche
interessierten, habe ich mir erlaubt, gewisse Schlussfolgerungen zu ziehen.«
    Major Miller nickte und sagte grinsend:
»Sie verstehen natürlich, dass wir über unsere Intentionen keine Auskunft geben
dürfen.«
    Der Zivilist, den Miller mit »Bill«
angesprochen hatte, grinste ebenfalls. »Militärische Geheimhaltung von höchster
Priorität. Aber gratuliere, Mister Charles. Sie sind ein guter Beobachter. Ist
Ihnen eine von den Personen bekannt, die wir vor Ihnen… äh… befragt haben?«
    »Nein. Mir ist nur das dicke Geldbündel
aufgefallen, das der untersetzte Herr der Dame mit dem hochgesteckten Haar auf
dem Schwarzmarkt zugesteckt hat. Alles Fünfziger, nicht wahr? Aber ich habe volles
Verständnis, wenn Sie mir darauf nicht antworten dürfen. ›Top secret‹, oder?«
    Der Zivilist lachte wie zuvor Miller. »So
ist es, Mister Charles!« Er begleitete Karl und Miller bis zur Tür. »Wir sehen
uns dann abends in Dahlem, Paul?«
    Der Major bejahte.
     
     
    Als Karl schließlich zum Abendbrot bei
Benno und Lilo auftauchte, wussten die bereits von der Reichstags-Razzia und
auch, dass man ihn mitgenommen hatte. Elektro-Klaus hatte beobachtet, wie er
von den Militärpolizisten auf dem Armeelaster abtransportiert worden war.
    »Wat wollten se denn von dir?
Du hast doch nischt Verbotnet dabeijehabt.«
    »Die waren auf Falschgeld aus. Mich haben
sie nur zufällig mit einkassiert.«
    Karl berichtete den Hofmanns ausführlich
von seinem Nachmittag auf dem Flughafen Tempelhof und dem Wiedersehen mit Paul
Miller.
    Benno kratzte sich am Kopf und brummelte.
»Milla? Milla? Eener vonna Zeitung?«
    »Ja. Er war Stammgast in der American
Bar im Adlon.«
    »Eener aus Waschington, der richtich jut
Deutsch konnte, so jroß wie du, aber ‘ne Ecke jünger?«
    »Ja.«
    »Ick gloobe, dein Major war ooch
bisweilen früher bei uns im Oriental. So’n mehr ruhijer Ami?«
    »Gut möglich, dass Miller und er dieselbe
Person sind. Überraschen täte es mich jedenfalls nicht. Miller hat sich damals
in Berlin wie in seiner

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