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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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nicht bekannt. Auch in den
verschiedensten zivilen Melderegistern fand sich keine Person dieses Namens.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Miller gab Karl sein Ehrenwort, die Anfrage von
Zeit zu Zeit zu wiederholen.
    Im Hofmann’schen Haus wurde es eng. Ein
Dutzend Familienangehörige von Lilo aus Brandenburg, vom Baby bis zum Greis,
deren Bauernhof zwangsenteignet worden war, weil er, statt der noch erlaubten
Fläche von einhundert, einhundertacht Hektar betrug, wohnten jetzt zusätzlich
dort. »Junkerland in Bauernhand« lautete das Schlagwort der von der SMAD angeregten
und von den ostzonalen Regierungen rigoros durchgeführten Bodenreform. Lilos
Onkel war weder ein Junker noch ein ostelbischer Großgrundbesitzer. Er hatte
als Zentrums-Abgeordneter sogar nach 1933 für ein paar Wochen die zweifelhafte
Wohltat einer »Schutzhaft« zu spüren bekommen und war dementsprechend nicht
besonders gut auf den sozialistischen Weg zu sprechen, der in der sowjetischen
Zone propagiert wurde. Lilos Verwandte waren zwar nette Leute, aber die Enge in
dem kleinen Haus war für Karl von Tag zu Tag schwerer zu ertragen.
    Wieder ließ Major Miller seine
Beziehungen spielen. Karl bekam eine winzige, zugige Dachwohnung in einem Haus
in der Dahlemer Podbielskiallee zugewiesen, das von den amerikanischen Behörden
beschlagnahmt worden war.
    Benno installierte als Erstes einen
Kanonenofen, den Rest der Einrichtung besorgte Karl sich nach und nach. Beim
Transport seiner unterdessen wieder ansehnlichen Büchersammlung sprang Miller
mit dem geräumigen Horch ein. Natürlich war der Major öfter Gast im alten Oriental gewesen. Er erkannte Benno sofort wieder, auch ohne die
Fantasie-Admiralsuniform, die der damals immer dort getragen hatte.
    »Wenn Se demnächst mal
abends wieder fein ausjehen wollen wie früher, Herr Major, könnte ick Ihnen ‘nen
juten Tipp jeben. Inner Schlüter 97 is ‘ne Reenkannazzion vom ollen Oriental – so sacht ihr Jebildeten doch, Karlchen, oder? Ejal! Am 26. mach ick
jedenfalls den Laden uff. Achtzehn Uhr, Mista Milla! Ick hoffe sehr, Se beehren
uns denn ooch zu meener kleenen Eröffnungsfeier.«
    Der Major versprach es.
    »Kommste morjen Abend übrijens zum
Training, Karlchen? Die andern wollten ooch alle vorbeischneien. Ick hab jetzt
ooch so ‘nen Böllerofen wie bei dir zu Hause innen Keller jestellt.«
    »Klar, ich bin dabei!«
    Jeder mit einem selbst gemachten Glas
Stachelbeermarmelade von Lilo beschenkt, fuhren Miller und Karl, der zusätzlich
von Benno einen Sack Brikettbruch spendiert bekam, zur Podbielskiallee.
    »Immer noch auf der Matte aktiv, Mister
Charles?«
    »Wo es so kalt ist, weniger, aber zweimal
pro Woche turne ich da noch rum.«
    Miller half Karl, die Bücher
hinaufzutragen, Karl schulterte den Kohlensack.
    Der Major sah sich in Karls Behausung um,
entdeckte aber außer weiteren Büchern und einfachem Mobiliar, Tisch, Bett,
Stuhl und Schrank, keine Reichtümer. An der Wand neben dem Bullerofen war
zerkleinertes Astbruchholz bis zur Zimmerdecke aufgeschichtet. »Sie nennen nicht
unbedingt ein Luxusappartement ihr Eigen, Mister Charles.«
    »Doch«, widersprach der. »Ich besitze
immerhin ein einigermaßen solides Dach über dem Kopf und einen Ofen, der
funktioniert.«
    Miller nickte. »Sie haben recht. Ich habe
heute Vormittag wegen einer Reportage diverse Flüchtlingsunterkünfte und auch
Altenheime in allen Westsektoren besucht. Dreimal pro Woche gibt es für die
Leute da Kohlsuppe – mit Fleischeinlage von homöopathischen Dimensionen. Ein
Zimmer, so groß wie Ihres, teilten sich mindestens fünf Personen, die Kinder
nicht mitgerechnet. – Dagegen ist das hier tatsächlich eine Art von Luxus.«
    Karl musste an die ungemütliche Enge bei
den Hofmanns denken. »Ich hörte, dass man demnächst auch die
Lebensmittelrationen wieder kürzen will.«
    »Ja, eine Kürzung ist wegen der
schlechten Ernte in diesem Jahr unumgänglich. In welchem Maß sie anfällt, hängt
aber größtenteils davon ab, ob der Winter streng wird. Die Transportkapazitäten
der Reichsbahn sind begrenzt. Wird es sehr kalt, hat wie im Vorjahr die
Energieversorgung der Berliner Kraftwerke Vorrang vor den
Nahrungsmittellieferungen.«
    Major Miller verabschiedete sich. Karl
zündete einen Kerzenstummel an. Schon jetzt war die Stromversorgung der
privaten Berliner Haushalte auf täglich zwei Stunden limitiert. Dann heizte
Karl sorgfältig den Kanonenofen. Erst warf er zu Fidibussen gedrehte Papierschnipsel
hinein, danach eine Lage

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