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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Westentasche ausgekannt. Brachte die Arbeit als
Journalist eben so mit sich.«
    Lilo deckte den Abendbrottisch. Karl
lehnte sich wohlig auf seinem Küchenstuhl zurück.
    Benno zog die Augenbrauen hoch. »Du
scheinst ja ausnahmsweise mal in Prachtlaune zu sein, Karlchen. Is noch watt
Besondret passiert, watte uns ooch beichten willst?«
    »Ja. Morgen früh soll ich mich auf dem
Flugplatz bewerben. Major Miller hat versprochen, ein gutes Wort für mich
einzulegen. Er meinte, die suchen da gerade händeringend Dolmetscher.«
    Lilo kicherte. »Mensch, wenn du Glück
hast, machst du demnächst womöglich noch Karriere bei den Amis. Und
Lebensmittelkarte I bekämst du obendrein.«
    »Det sollten wa vorsorchlich schon mal
feiern«, meinte Benno und entkorkte eine Flasche. »Uff jeden Fall würde dir det
besser liejen, als für mir uffem Schwarzmarcht zu maloochen. ‘ne Naturbegabung
als Schieber haste ja nich jrade, mein Bester!«
    Lilo verteilte die Schnapsgläser.
    Benno schenkte ein, Danziger Goldwasser,
und hob sein Glas. »Denn lasst uns mal uff Karlchens Jlück anstoßen. – Möje der
Dollar bei dir in Zukunft rollen!«
    Karl lachte laut. »Nix Dollar. Die zahlen
in Reichsmark.«
    Alle tranken auf ex.
    »Was ist jetzt eigentlich mit der
Konzession fürs Orientai?«
    Benno schürzte die Lippen und brummte
dann missmutig: »Ick gloobe, det wird nischt vor Ende November. Der Heini uffem
Amt is krank, und sein Vertreter ooch so ‘ne lahme Ente. Doof, aber nich
zu ändern.«
    »Dabei ist alles schon fix und fertig
eingerichtet«, schimpfte Lilo. »Ist echt zum Mäusemelken, wie diese Bürohengste
sich wegen dem kleinsten Mist ausmären!«
    Lilo schenkte nach und prostete ihrem
Mann zu. »Aber was soll all das Jammern, mein Dickerchen! Kopf hoch, wird
bestimmt alles gut!«
     
     
    Die Stimmung an einem anderen Berliner
Abendbrottisch, in einer Frohnauer Villa, war weitaus gedrückter.
    »Adolf muss doch einer ins Gehirn gepisst
haben, dass er den Leuten die Blüten am helllichten Tag und ausgerechnet auf
dem Reichstagsmarkt übergeben hat!« Der Mann mit der entstellten Gesichtshälfte
schlug mit der Faust auf den Tisch. »Dieser Penner!«
    Horst Brennecke zuckte mit den Achseln.
»Wie man’s nimmt. Normalerweise ist die Geldübergabe am Reichstag wegen der
Menschenmassen weniger riskant als an einer dunklen Straßenecke. – Ich bin
überzeugt, dass Adolf verpfiffen worden ist. Einer unserer Verteiler, dem er
noch kein Geld gegeben hatte, meinte, dass er ganz gezielt von den Amis
eingesackt wurde.«
    »Woher könnte der Tipp gekommen sein?«
    Brennecke zuckte mit den Achseln. »Ich
denke, wir haben genug Neider auf dem Schwarzmarkt.«
    »Hofmann?«
    »Wir sollten ihn schon ein wenig im Auge
behalten. Er ist schließlich groß im Geschäft. Ich vermute aber eher, dass es
jemand aus Gormullowskis Umfeld war. Jemand, der wusste, wozu seine Druckfarben
gebraucht werden.«
    »Aber Gormullowski hat für Hofmann
gearbeitet!«
    »Gormullowski hat für jeden gearbeitet,
der gut bezahlt hat. Hofmann plant gerade, ein Nachtlokal aufzumachen, und
verdient sich auch schon ordentliche Summen mit Lebensmittelschiebereien.
Hofmann und Blüten? – Nein, Adolf wird einer angeschwärzt haben, dem wir in
letzter Zeit zu einflussreich geworden sind. Oder zu gefährlich. Wassilinski
zum Beispiel. Einen von unseren Leuten sollte man besser auch auf ihn
ansetzen.«
    Wolfgang Richter nickte. »Das sehe ich
genauso, und deshalb müssen wir hier schleunigst weg. Neue Papiere brauchen wir
dann natürlich auch.«
    »Das ist das geringste Problem«, sagte Brennecke.
    Die Augen des Mannes mit der
pergamentartigen Gesichtshaut verengten sich zu Schlitzen. »Adolf wird doch
nicht etwa wagen, uns zu verpfeifen?«
    Brennecke schüttelte entschieden den
Kopf. »Es ist ganz einfach: Plaudert er, dann plaudern wir. Und er will
schließlich nicht baumeln! Die Dokumente, die ich uns beschafft habe, sind echt
und halten jeder Prüfung stand: Ausweis, Geburtsurkunde, Wehrpass,
Lebensmittelkarte – alles Originalpapiere! – Es müsste schon mit dem Teufel
zugehen, wenn Adolf ausgerechnet von den Amis als der ›Bluthund von Wilna‹
identifiziert werden sollte. Dennoch fände auch ich es besser, wenn wir hier
schnellstmöglich die Zelte abbrechen und gleich morgen die Druckerei verlegen.
Sicher ist sicher.«
    »Was ist mit dem Haus deiner Tante in
Westend? Könnten wir da vorerst unterkommen?«
    »Übergangsweise bestimmt, aber zu dritt
ist die Wohnung für

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