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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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aber jetzt ist endgültig Sense.«
    »Hat er dir einen Grund genannt?«
    »Angeblich ist der Reichsbankvorrat in
Eberswalde aufgebraucht.«
    »Quatsch! Ihm ist einfach der Arsch auf
Grundeis gegangen. Ein Major aus seiner Abteilung ist schon wegen
Korruptionsverdacht strafversetzt worden. Wassilinski verspürt
verständlicherweise keine Lust, ihm nach Sibirien oder an die chinesische
Grenze zu folgen. Dieser Colonel Teasdale war neulich im Oriental wieder
hackevoll und hat damit geprahlt, dass die SMAD auf Druck
der Westalliierten endlich gegen die Schiebereien in den höheren Rängen der
Besatzungstruppen vorgehen will. Ich könnte mir vorstellen, dass unser Genosse Oberstleutnant
dann bei den Russen ganz oben auf der Abschussliste stehen könnte.«
    »Das meinte Otto auch.«
    Brennecke überlegte einen Moment. »Weißt
du, was mir durch den Kopf geht?«
    »Ich ahne es, Hotte. Bei Adolf haben wir
Glück gehabt, dass er nicht geplaudert hat. Aber auf eine Wiederholung sollten
wir besser nicht bauen. Kriegt die SMAD Wassilinski am Arsch, bringen die ihn schon zum
Reden. Die haben mit Sicherheit wirksamere Methoden als die Amis. – Und ich
würde nicht darauf wetten, dass er das Maul hält.«
    »So ist es. Wir dürfen keine Zeit
verlieren.«
    »Wann?«
    »Das sollte nicht sonderlich schwer sein.
Er schießt doch wieder mit seinem Motorrad durch die Gegend.«
    Richter nickte. »Otto wäre übrigens
ebenfalls sehr erleichtert, wenn dieser Meunier demnächst… äh… nicht mehr
in Tempelhof arbeiten würde. Fällt dir dazu was ein?«
    »Ich denke, am besten wäre es, gleich
zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Ich hätte da eine Idee…«

 
    13. Kapitel
    Unfall
mit Fahrerflucht
     
     
     
    »Guten Tag, Herr Brandermann. Wieder mal
in Tempelhof nach dem Rechten sehen?«
    Birgits neuer Verehrer grinste und
deutete zu einer Schutthalde auf dem Rollfeld. »Der Weg zum Reichtum ist
erfahrungsgemäß steinig, Herr Meunier. Wenn ich nicht regelmäßig überall meine
Bautrupps kontrolliere, bleibt am Ende nichts in der Kasse.«
    »Ich habe justament Ihrem Vorarbeiter ein
Schreiben der Verwaltung gebracht. Machen Sie Ihren Leuten bitte ein für alle
Mal klar, dass auf dem Rollfeld auch dann nicht geraucht werden darf, wenn kein
Flugbetrieb herrscht. Ansonsten müssen Sie damit rechnen, dass man Ihnen von
einem Tag zum anderen den Auftrag entzieht.«
    Brandermann presste die Lippen
aufeinander und sagte: »Diese Penner! Na, die können was erleben! Ich habe
denen bereits mehrfach eingeschärft: Wer bei der Arbeit raucht, fliegt auf der
Stelle raus!«
    »Kümmern Sie sich besser drum, sonst…«
    »Worauf Sie sich verlassen können.«
    Bevor Karl sich zum Gehen wandte, ließ er
Birgit Grüße bestellen.
    Brandermann versprach, sie auszurichten.
»Sieht man sich später noch im Oriental?«
    »Ich denke schon.«
     
     
    Der Mittwoch war in Millers Büro der Tag,
an dem der Major und Karl nachmittags die Presse der vergangenen Woche
sichteten und nach Themen getrennt archivierten. Miller reichte ihm die Süddeutsche
Zeitung. »Im Alliierten Kontrollrat herrscht zwar nach außen hin wieder – wie
sagt man doch? – Friede, Freude, Eierkuchen, aber lesen Sie selbst!«
    Karl strich die Seite glatt. Das
hessische Wirtschaftsministerium teilte mit, dass seit April 1946 fünfundneunzigtausend
Eisenbahngüterwagen aus der britischen und amerikanischen Besatzungszone
verloren gegangen waren. In Zukunft sollten beladene Güterwaggons nur noch bei
gleichzeitiger Rückgabe von leeren Waggons in die Sowjetzone geschickt werden.
    »Oder das hier!« Der Major gab Karl die
Berliner Tägliche Rundschau, das offizielle Organ der sowjetischen
Militärregierung. Die SMAD würde eine Wahl Reuters zum Oberbürgermeister Berlins
auf keinen Fall genehmigen.
    »Wie sehr das politische Klima rauer
geworden ist, lässt sich kaum leugnen.« Karl schob seinerseits einen Artikel
über den Schreibtisch. Als Protest gegen Manöver sowjetischer Kampfflugzeuge im
Raum Berlin waren amerikanische Flugzeuge aus Tempelhof in der Formationsbildung
»US« über der Stadt aufgestiegen. »Wenn Sie mich fragen, Major, die Spannungen
eskalierten besonders seit dem Zeitpunkt, als die Iswestija Anfang März
von General Clays Plänen Wind bekommen hatte, in der britischen und
amerikanischen Zone gegebenenfalls eine stabile Sonderwährung einzuführen.«
    »›Die neue Währungseinheit soll die
Funktion einer goldenen Kette übernehmen, die Deutschland gewaltsam an

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