Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
Vom Netzwerk:
gelegt, schließlich war der
zur Tatzeit wohl kaum noch in der Lage, einen Lkw zu fahren. Und ich bin nicht
der Einzige, der das verbürgen kann.«
    »Moment, Major«, sagte Karl. »Der
Taschendieb hat ja auch auf betrunken gemimt. Theoretisch hätte ich Ihnen das
ebenfalls vortäuschen können.«
    »Quatsch! Sie waren mindestens so
besoffen wie ich, als Burns uns nach Dahlem gefahren hat.«
    Der Mann hinter dem Schreibtisch deutete eine
Verbeugung an. »Sie sind ein guter Analytiker, Mister Charles, natürlich ist
mir dieser Gedanke auch gekommen. Aber wenn der Major sagt, dass Sie stark
betrunken waren, dann ist das meiner Meinung nach schon eine weitgehend
entlastende Aussage.«
    Karl erwiderte die Verbeugung. Die
Spannung in der Stimme des Zivilisten blieb.
    Er begann mit einem der Bleistifte auf
Millers Schreibtisch zu spielen und wechselte das Thema. »Es gibt noch mehr
Ungereimtheiten, Paul. Der Mord an Wassilinski weist beängstigende Parallelen
zu dem Motorradunfall von General Bersarin, dem ersten Berliner
Stadtkommandanten, im Juni 1945 auf. Der fuhr ebenfalls eine Indian und raste
in einen Lkw. Ob das damals wirklich ein Unfall war oder ob der General bei
gewissen Leuten in Stalins Umfeld wegen seiner liberalen Haltung den Berlinern
gegenüber Unmut erregt hatte, werden wohl nur die Kollegen in Karlshorst
wissen.«
    »Dass Mister Charles in Tempelhof
arbeitet, ist kein Geheimnis, Bill. Falls die Russen Wassilinski ›entsorgt‹
haben sollten, um uns die Sache in die Schuhe zu schieben, dann haben sie sich
reichlich stümperhaft angestellt. Nein, das war wohl nicht ihre Handschrift.
Die hätten es einzurichten gewusst, dass Mister Charles nicht über den Schatten
eines Alibis verfügt hätte.«
    »Das denke ich auch. Aber wer hat ein
Interesse daran«, wandte der Zivilist sich an Karl, »Sie – sei es bei uns, sei
es in Karlshorst – zu diskreditieren, indem er falsche Spuren legt, um Sie mit
dem Mord an dem Genossen Oberstleutnant in Verbindung zu bringen?«
    »Ist das eine rein rhetorische Frage,
oder zielt sie bereits in eine gewisse Richtung, Sir?«
    »Teils, teils, Mister Charles. Mir ist
der Aufwand unheimlich, mit der der Mord durchgeführt wurde, denn Mord war es ja
zweifelsfrei: Der Lkw muss nach dem Zusammenstoß mehrmals zurückgesetzt haben.
Wassilinskis Leiche war Matsch.«
    »Damit ist meine Frage noch nicht
beantwortet«, insistierte Karl. »Hat man bei dem Toten vielleicht etwas
gefunden, das Licht auf die Angelegenheit werfen könnte?«
    Major Miller straffte sich.
    Der Zivilist legte den Bleistift aus der
Hand. »So ist es. In Wassilinskis Brieftasche steckte ein Packen
Fünfzigmarkscheine.«
    »Russische Nachdrucke?«, fragten Miller und Karl
gleichzeitig.
    »Nein. Einwandfrei die neuen Berliner
Blüten. Drei unserer Experten bestätigten es einstimmig. Aber dieser Fund macht
die Sache nicht unbedingt leichter, wie Sie sich denken können.«
    Der Major nickte. »Gesetzt den Fall,
Wassilinski hat auf eigene Rechnung im Revier der SMAD gewildert
und womöglich sogar mit Wageners Kumpanen zusammengearbeitet, dann
multiplizieren sich natürlich die Möglichkeiten einer Deutung seines Todes
beträchtlich. Karlshorst ist vielleicht doch involviert, stümperhafte Durchführung
der Liquidation oder nicht.«
    Karl schüttelte protestierend den Kopf.
»Dagegen spricht die Tatsache, dass man ihn im französischen Sektor getötet
hat. Es sei denn, man will den Westalliierten die Sache anlasten, um sie
politisch auszuschlachten.«
    »Exakt!«, sagte Major Miller. »Das wäre
doch ein gefundenes Fressen für die Ostpresse: ›Deutscher Zivilangestellter der
amerikanischen Flughafenverwaltung begeht Fahrerflucht bei Unfall mit
Todesfolge.‹«
    Der Mann im Cordjackett griff wieder nach
dem Bleistift. »Ich weiß nicht, Paul. In allem, was mit Reichsmarkfalsifikaten
zusammenhängt, hält die SMAD den Ball flach. Die Schlagzeile ›Bei Unfall getöteter
Oberstleutnant der Sowjetarmee im Besitz größerer Menge Falschgeld‹ wäre ihnen
bestimmt auch nicht genehm.«
    Nach einer weiteren Stunde, in der die
drei Männer versuchten, den Mord an Wassilinski von allen Seiten zu beleuchten,
klingelte Millers Telefon. Der Major ging zum Schreibtisch, hob ab und gab
gleich darauf den Hörer an den Zivilisten weiter. »Für dich, Bill. Ein Mister
Bloomsfield. – Ich hole mit Mister Charles in der Zwischenzeit mal Kaffee aus
der Kantine.«
     
     
    »Bill?«
    »Ja?«
    »Es gibt eine Überraschung. Meunier

Weitere Kostenlose Bücher