Hungerkralle
Spur!«
»Wenn alle weg sind, muss ich noch
dringend mit dir reden«, sagte Karl.
»Jut, wir jehn denn besser nach oben.«
Karl wartete, bis Benno zwei Flaschen
Bier auf den Tresen gestellt hatte.
»Wo brennt’s denn, meen Bester?«
Karl zog Willi Wiesels Foto aus der
Tasche. »Kennst du den?«
»Klaro. Is der immer noch im Jeschäft? Im
ollen Oriental hab ick den mal erwischt, wie er ‘nen Jast um sein
Portemonneh erleichtern wollte.«
»Er hat nach dem Krieg das Tätigkeitsfeld
ausgeweitet«, knurrte Karl und begann zu erzählen.
Benno hörte schweigend zu, dann räusperte
er sich.
»Ick muss dem Major recht jeben,
Karlchen. Jemand strengt sich mächtich an, damit de bei den Amis rausfliechst.
Oder wat soll sonst mit der janzen Anjelejenheit bezweckt sein? Da is eener
patuh dajejen, dass de weiter uffem Fluchplatz maloochst.«
»Das meinte dieser Bill auch. Anscheinend
war er erst von meiner Unschuld bezüglich Wassilinskis Tod überzeugt, als
herauskam, dass Wiesel mir die Revolver untergejubelt hatte. Vorher erschien er
mir doch recht skeptisch. Na ja, ich an seiner Stelle wäre es vermutlich auch
gewesen. Trunkenheit kann man schließlich leicht vortäuschen – siehe Willi
Wiesel.«
»Wat war denn det für’n Früchtchen,
dieser Mista Bill? Ick meene, is doch merkwürdich, sich nich richtich mit’m
vollen Namen vorzustellen, wo wa doch so erfolchreich für Milla rumjekrochen
sind. Det is doch bestimmen Oberschlapphut von so ‘nem Ami-Jeheimdienst, oder
ick fress ‘nen Besen.«
»Diesen Festschmaus kannst du dir
ersparen, mein Lieber. – Ach so, Mister Bill erwähnte noch, dass wir uns nicht
wundern dürfen, falls uns gelegentlich mal jemand folgt. Wenn es ein Mann und
eine Frau sind, beide mit einer grauen Umhängetasche, hätte das seine Ordnung.
Fällt dir oder mir jemand anders auf, der sich an unsere Fersen heftet, sollen
wir umgehend Major Miller benachrichtigen.«
Benno hob sein Bierglas. »Na, denn mal Prost uff dein
Schwein, Karlchen. Hätten se den Wiesel nich erwischt, denn wärste vermutlich dick
inner Tinte bei Mista Bill.«
Karl stieß mit Benno an. »Das Gefühl
hatte ich allerdings zeitweise auch.«
»Wat is mitter Brieftasche?«
Karl klopfte gegen seine Anzugjacke. »Die
war bei Wiesel zu Hause. Wassilinskis Mörder hat nur meine Lebensmittelkarte
benutzt, um die falsche Spur zu legen.«
»Aber wie vertickt Mista Bill den
Franzmännern det? – Die harn die ja schließlich jefunden.«
»Er meinte, das solle ich ruhig ihm
überlassen. Er würde das schon von Dienst zu Dienst regeln. Morgen hätte ich
sie wieder.«
Wolfgang Richter zählte ein Bündel
Geldscheine ab und gab sie Horst Brennecke. »Hier, der Lohn für deine
Flughafenarbeiter: Zehner und Zwanziger und der Rest in Fünfzigern.«
»Gut. – Was hat Otto gesagt?«
»Wassilinski sind wir zwar los, aber dass
unser Plan nicht funktionierte, Meunier gleichzeitig bei den Amis anzuschwärzen,
und sich dieses Arschloch von Wiesel hat schnappen lassen, erfreute ihn
natürlich nicht. Seine Laune ist dementsprechend miserabel, wie du dir denken
kannst. Er ging sowieso schon kaum aus dem Haus, weil er immer befürchtete, Meunier irgendwo
zufällig über den Weg zu laufen.«
»Aber er sieht doch wohl ein, dass es für
uns alle besser ist, wenn er demnächst weiter in Westend auf Tauchstation
bleibt.«
»Das ja.«
»Richte ihm aus, wir befassen uns mit dem
Kerl, sowie der keine Kindermädchen mehr hat. Die können ihm ja schließlich
nicht rund um die Uhr ein paar Aufpasser stellen.« Brennecke zog verächtlich
die Mundwinkel hinunter. »Ich hätte wirklich nicht geglaubt, dass die vom
Ami-Geheimdienst sich so unglaublich dämlich anstellen. Immer die gleichen
grauen Taschen als Erkennungszeichen! – In der Gestapo hätten die bei mir keine
Karriere gemacht.«
»Da Meunier offensichtlich
mit den Amis herumkungelt, will ich nichts riskieren. Ich mach mich in nächster
Zeit vorsichtshalber auch etwas rarer, Hotte. Wiesel wird ihnen keine
Personenbeschreibung von mir geben können, aber der Mann, der ihn mir im Oriental empfohlen hat, schon. Und das könnte dann problematisch werden, falls
die Amis den zufällig in die Finger kriegen sollten.«
»Ich denke, du überschätzt die Heinis vom
OSS.« Brennecke lachte. »Aber gut, kümmere dich von mir aus für die nächsten
Wochen ausschließlich weiter um die Geldverteilung, und mach einen Bogen um
Hofmanns Laden. – Was macht übrigens dein Anglerfreund
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