Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
Vom Netzwerk:
hat
mit dem Mord an Wassilinski anscheinend doch nichts zu tun. Zum Glück war ich
mit genügend Leuten vor Ort. Kaum war Miller vorhin mit Meunier weggefahren,
ist jemand mit einer Aktentasche für circa zehn Minuten im Haus verschwunden
und dann zum öffentlichen Fernsprecher am Breitenbachplatz gegangen. Von dort
hat er unsere Militärpolizei in Dahlem angerufen – selbstverständlich ohne
seinen Namen zu nennen – und ihnen gesagt, dass in Meuniers Wohnung Waffen
versteckt sind. Amerikanische Armeerevolver.«
    »Ihr habt den Mann?«
    »Ja. Unsere Leute fanden die Waffen unter
dem Bett. Meuniers Wohnungstür wies keine Spuren einer gewaltsamen
Öffnung auf, weil der Mann einen Dietrich benutzt hatte. Wir haben ihm
klargemacht, dass auf Waffenbesitz noch immer Todesstrafe steht. Daraufhin
wurde er sehr gesprächig.«
    »Wahrscheinlich das Übliche: Ein
Unbekannter habe ihm den Auftrag gegeben. Richtig?«
    »Ja, aber ich bin ziemlich überzeugt,
dass der Mann ausnahmsweise nicht lügt. Willi Wiesel heißt er übrigens. Wir
haben die Personalien überprüft. Der Name stimmt.«
    »Und wieso meinst du, dass er nicht
flunkert?«
    »Weil er, auch ohne dass wir weiter Druck
ausüben mussten, zugab, gestern im Oriental Meuniers Brieftasche entwendet zu haben. Das Geld, das ihm von
dem Unbekannten für den Diebstahl und die Deponierung der Waffen gezahlt worden
war, hatte er noch in der Hosentasche.«
    »Darf ich raten, Robert? – Es waren
ungebrauchte Fünfzig-Reichsmark-Blüten.«
    »Ja. Zwanzig Stück.«
    »Konnte er seinen Auftraggeber
beschreiben?«
    »Sie hatten sich nachts in einer Ruine in
Charlottenburg getroffen, auch Meuniers Brieftasche hat er sofort nach dem
Diebstahl dort abgegeben. Der Unbekannte hatte die ganze Zeit den Hut tief in
die Stirn gedrückt. Wiesel meinte aber gesehen zu haben, dass sein Gesicht
vernarbt war.«
    »Und wie ist dieser Gauner an seinen
Auftraggeber gekommen?«
    »Er gab unumwunden zu, in Sachen
Taschendiebstahl oder Einbruch eine gewisse Reputation zu besitzen. Der
Unbekannte kann den Tipp, sich an ihn zu wenden, unschwer aus einschlägigen
Kreisen bekommen haben.«
    »Was machen wir jetzt mit diesem Herrn
Wiesel? – Frankfurt?« Bill Gleason krakelte mit dem Bleistift kryptische
Zeichen auf die neueste Ausgabe der Berliner Zeitung: »Ein Großteil der
deutschen Fischereiflotte, 209 größere Fischdampfer und 2751 Fischkutter,
konnte wieder in Betrieb genommen werden.«
    »Frankfurt oder Aachen. Auf jeden Fall
ziehen wir ihn vorerst aus dem Verkehr.«
    »Ich brauche ein Foto von ihm für Meunier.«
    »Major Miller soll in einer Stunde seinen
Fahrer zum Föhrenweg schicken, dann sind die Positive trocken.«
     
     
    Als Sergeant Burns das Foto des
Taschendiebs nach Tempelhof brachte und Major Miller Karl das Bild zeigte,
nickte der. »Ja, das ist der Kerl. – Darf ich es behalten und Benno zeigen? Ich
treffe ihn nachher beim Jiu-Jitsu.«
    »Deshalb habe ich die Aufnahme ja extra
holen lassen, Mister Charles«, sagte der Zivilist. Er klang jetzt deutlich entspannter,
als er mit Karl redete. »Herr Hofmann soll sich mal dezent nach Willi Wiesel
umhören.«
    Durch die Besprechung in Millers Büro war
Karls eigene Arbeit liegen geblieben, deshalb kam er erst verspätet zum
Jiu-Jitsu-Training.
    Benno und die Sportkameraden probten
bereits Messerabwehr. Karl zog sich hastig um und betrat den Mattenkeller. Er
machte am Mattenrand eine Sequenz schneller Aufwärmübungen und ging dann zu
einem freien Partner. Die Jiu-Jitsu-Techniken wurden immer paarweise geübt.
    Günther, der »Weiße Riese«, ein
ehemaliger Vorarbeiter aus dem Westhafen, der den Spitznamen nicht zu Unrecht
trug, packte sein Holzmesser. »Na, Karl, woll’n wa mal zur Sache jehn?«
    Es folgte ein waagerechter Stich zum Bauch.
Karl glitt aus der Angriffslinie und bekam den Messerarm beidhändig zu fassen.
Jetzt musste er nur noch mit seinem vorderen Fuß Günthers Standbein wegfegen.
Karl trat zu – und verfehlte, weil der Weiße Riese blitzschnell die Fußstellung
wechselte. Normalerweise hätte Karl die Technik geändert, aber er verpasste den
Augenblick, und Günther konnte seinen Messerarm losreißen.
    Benno, der neben den beiden übte, kommentierte Karls
missglückte Abwehr mit den Worten: »Na, det war ja wohl eben nischt, Karlchen!«
    Es blieb bis zum Ende der Trainingsstunde
nicht bei diesem einen Patzer.
    »Wat war denn mit dir los?«, fragte ihn
der Oriental- Wirt. »Warst ja heute völlich neben der

Weitere Kostenlose Bücher