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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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sich gleich links neben dem Eingang an den kleinen Tisch. Er bestellte sechs Austern Fines de claire, ein Coquelet mit Salat und eine Flasche Waadtländer Weißwein, der ihm ausgezeichnet mundete. Anschließend spazierte er über die verschneite Brücke ins Kleinbasel hinüber, betrat dort ein gepflegtes Puff, das er von früher her kannte, und ließ sich aufs höflichste bedienen.
    Als er kurz nach Mitternacht ins Drei Könige zurückkam, saß der Hagestolz hinter der Zimmerlinde auf seinem Kanapee und schlief. Gut, dachte Kayat, dass man erwartet wird. Schön, dass man nicht verlorengeht. Und wie liebenswürdig, wie die einen behüten.
    An diesem Abend fuhr Peter Hunkeler mit Hedwig ins Elsass, unzufrieden, hässig und müde.
    Er hatte den restlichen Vormittag verplempert mit allerlei Krimskrams, mit Zeitunglesen und unnützen Telefonaten. Über Mittag war er kurz zu Harri in die Sauna gegangen. Er hatte sich zweimal in den Schwitzraum gelegt, je eine Viertelstunde. Er hatte auf dem Rücken gelegen mit angezogenen Knien, ein Baby im Mutterschoß, er hatte versucht, an nichts anderes zu denken als an diese schöne Hitze, die ihn umgab, an keinen Huber, keinen Kayat, keine Diamanten. Er hatte gespürt, wie ihm der Schweiß aus den Poren rann und auf das Tuch tropfte, auf dem er lag. Beim zweiten Saunagang war er sogar einen Moment lang eingeschlafen, nur wenige Minuten, wie die Sanduhr anzeigte, die ihm aber wie eine Stunde, wie ein Tag, wie ein Jahr vorgekommen waren.
    Anschließend hatte er eine Suppe gegessen und sich zum Auskühlen auf die Dachterrasse gesetzt. Er hatte den Schneeflocken zugeschaut, wie sie aus dem Himmel fielen, auf die Stadt, auf die Terrasse, auf seine Haut. Das zarte kalte Schweben hatte ihn vollends beruhigt.
    Am Nachmittag hatte er noch einmal die Akten hervorgeholt und studiert, es war ihm nichts Neues aufgefallen. Kayat war schon seit zwölf Jahren aktenkundig. Er war mehrmals verhaftet und in Untersuchungshaft genommen worden, nichts war dabei herausgekommen. Huber war mit 2,1 Promille beim Grenzübergang Weil am Rhein geschnappt worden, was aber nichts Außerordentliches war. Weil war bekannt für seine Nachtlokale und Puffs, und mancher betrunkene Basler fuhr nach Mitternacht hinüber, um sich für Schweizer Franken lieben zu lassen. Gut, 2,1 Promille waren an der oberen Grenze, bei ungeübten Trinkern begann da bereits die Unzurechnungsfähigkeit. Aber ein Hinweis auf berufsmäßige Kriminalität war das selbstverständlich nicht.
    Über Zeugin stand nichts in den Akten, außer dass er einmal wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 650 000 Franken angeklagt worden war. Diese Anklage war aber hinfällig geworden, weil sie wegen geschickten Taktierens und Verzögerns des Angeklagten verjährte.
    War also Herr Dr. Zeugin ein Ehrenmann? Jawohl, den Akten nach zu schließen war er das.
    Hunkeler hatte die Tür zugesperrt, den Telefonhörer abgehoben und vor sich auf den Tisch gelegt. Er hatte den Stuhl zurückgeschoben und die Schuhsohlen gegen die Tischkante gestemmt, hatte die Hände um die Knie gelegt und in dieser halb schwebenden Hockhaltung mit geschlossenen Augen eine halbe Stunde lang nachgedacht. Dann hatte er erschöpft aufgegeben. Es half alles nichts. Ohne Diamanten war dieser Fall hoffnungslos verloren. Das Einzige, was er von sich aus in die Wege leiten konnte, war ein Gespräch mit Zeugin. Aber das hatte er auf den nächsten Tag verschoben.
    Jetzt saß er neben Hedwig am Steuer seines Kleinwagens und fuhr die Hegenheimerstraße hinaus Richtung Zoll. Es hatte seit gestern Nachmittag ununterbrochen geschneit. Die Straßen waren vereist, der Verkehr war fast am Erliegen. Die Wagenkolonne mit den schwarzen Elsässer Nummern, Autos von Grenzgängern, die in Basel teure Schweizer Franken verdienten und jenseits der Grenze mit billigen französischen Francs ihre Fertighäuschen bauten, rollte im Schritttempo, die Scheinwerfer eingeschaltet.
    Der französische Zoll war wie immer nicht besetzt, nur der Schweizer Zöllner stand pflichtbewusst draußen, ein standhafter Schneemann, der auf ein Schweinsfilet von mehr als fünfhundert Gramm lauerte, das jemand unter dem Rücksitz versteckt hatte und unverzollt einführen wollte.
    Hunkeler hatte ein gespaltenes Verhältnis zu diesen Zollmännern. Er hasste ihren ausgestreckten Zeigefinger, mit dem sie die Autos zum Anhalten zwangen, ihre versteinerte Freundlichkeit, mit der sie sich nach Waren erkundigten. Er wusste, dass etwas an ihm war,

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