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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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weit und breit. Nur eine menschliche Spur lag im Zwielicht der Weiße des Schnees und der Schwärze der Nacht, von schweren Männerschritten gestampft, schon fast zugeschneit, aber mit immer noch deutlich sich abzeichnenden Rändern. Sie zeigte nach rechts in Richtung Treppe, die zur Schifflände hinaufführte.
    Kayat stand reglos, eine Viertelstunde lang. Dann trat er ins Zimmer zurück, nahm aus der Reisetasche eine Taschenlampe, drehte sie an und legte sie so auf den Tisch, dass sie ihr schwaches Licht vom Fenster weg ins Zimmer hineinwarf. Er packte seine Siebensachen zusammen, zog sich an, steckte den Pass mit seinem neuen Namen Assad Harif ein, schlüpfte in den Kamelhaarmantel und setzte sich eine schwarzweiß karierte Schirmmütze auf. Dann ging er zur Terrassentür, öffnete sie und trat hinaus. Er hob die Tasche über die Brüstung und ließ sie fallen. Sie fiel weich. Ein bisschen Schnee stäubte auf.
    Kayat zog die Terrassentür hinter sich zu, kletterte über die Brüstung und umklammerte mit beiden Händen das Abflussrohr der Dachtraufe. Er schwang sich hinaus, stemmte sein Gewicht mit beiden Füßen von der Mauer weg und ließ sich hinuntergleiten. Seine Finger litten, das Rohr war eiskalt, aber er kam heil unten an. Er hob die Tasche auf, klopfte den Schnee ab und folgte Tritt für Tritt der Männerspur zur Schifflände hinauf.
    Ein Lastwagen fuhr vorbei, sein schwerer Schneepflug schlug Funken auf dem Asphalt. Ein Taxi stand da, über und über mit Schnee beladen. Der Chauffeur schlief.
    Kayat weckte ihn, stieg ein und ließ sich vom fluchenden Mann zur Autovermietung Stalder fahren.
    Er fand sein Auto erst nach einigem Suchen. Die Nummern waren schneebedeckt, er musste mehrere freiwischen, bevor er die richtige fand. Es war ein roter Kleinwagen mit Antenne. Er setzte sich hinein, zog die Tür zu und schob seine Hände in die Hosentaschen auf die warmen Schenkel. Als er sich besser fühlte, startete er den Motor und setzte die Scheibenwischer in Betrieb. Er legte den Vierradantrieb ein und nahm befriedigt den Ruck, der durchs Getriebe ging, zur Kenntnis.
    Der Wagen schaffte den vom Schneepflug aufgehäuften Walm mit einigem Schlingern. Dann glitt er zuverlässig über die geräumte Straße, fuhr über die Mittlere Brücke ins Kleinbasel hinüber und hielt nach einigen Umwegen durch die unübersichtlichen Einbahnstraßen vor dem Badischen Bahnhof an.
    Kayat rauchte eine Zigarette und schaute zum Hauptportal hinüber, das geschlossen war. Kein Licht brannte, die Halle lag in tiefem Dunkel, die Züge fuhren noch nicht.
    Er zog den Plan, den ihm der Concierge im gelben Briefumschlag gebracht hatte, aus der Tasche und betrachtete die drei eingetragenen Kreuze, welche die außerhalb des Bahnhofs liegenden Zugänge zur Kanalisation bezeichneten. Sie waren in der Legende als »Doleneisen« beschrieben, »mit einem Pickel oder starken Wagenheber wegschiebbar, wenn nicht verschraubt«.
    Kayat schüttelte den Kopf. Was die sich vorstellten, diese Schreibtischtäter. Die meinten wohl, friedlich im Büro sitzend, das Whiskyglas in der linken Hand, die Zigarre in der rechten, es sei ein Vergnügen, mitten in der Nacht nach Dolendeckeln zu scharren wie ein Hund. Und was hieß eigentlich »wenn nicht verschraubt«? Wenn sie tatsächlich verschraubt waren, so brauchte man den passenden Schraubenschlüssel. Wo aber war ein passender Schraubenschlüssel aufzutreiben? Und gesetzt den Fall, es gelänge ihm, einen der drei eingezeichneten Dolendeckel unter dem Schnee zu lokalisieren und zu öffnen, was war dann? Dann wusste er immer noch nicht, wie er in den dunklen Röhren den Anschluss Badischer Bahnhof finden konnte.
    Er hatte überhaupt keine Lust, in diese unterirdische Welt einzusteigen, das war nicht sein Revier. Versuche, wenn immer möglich, den Ort und die Zeit einer Auseinandersetzung, die unumgänglich ist, selber zu bestimmen! Das war eine der Grundregeln, die er in seinem Beruf gelernt hatte. Und der Ort da unten gefiel ihm nicht.
    Einen Augenblick dachte er daran, sich sofort über die Grenze nach Mulhouse abzusetzen und sich dort zu verstecken, bis Gras über die Sache gewachsen war. Diese verfluchten Steine brachten ihm Unglück. Er hatte das schon im fahrenden Zug gespürt, er hätte sie am liebsten schon damals weggespült. Dann hätte er wenigstens nicht durch die Bahnhofshalle zur Herrentoilette zu rennen brauchen, hinter sich einen Schwarm Polizisten, er hätte zumindest die Basler Polizei vom Halse

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