Hunter 05 - Späte Vergeltung
noch die Nachwirkungen des Zeugs, das er vor der Tat geschluckt hat. Heute ist der erste Tag, an dem er überhaupt aufrecht stehen konnte.«
»Danke, Mr Conner, ich klopfe dann, wenn ich fertig bin.«
Conner nickte ihr knapp zu, verließ den Raum und zog die Tür hinter sich ins Schloss.
Einen Moment lang beobachtete Chloe noch ihren in sich zusammengesunkenen Mandanten, dann ging sie zum Tisch zurück und setzte sich ihm gegenüber. »Mr Curtis, mein Name ist Chloe Hunter, ich bin Ihre vom Gericht bestellte Pflichtverteidigerin, da Sie bisher keinen Verteidiger benannt haben. Das können Sie selbstverständlich noch tun, doch bis dahin bin ich für Ihren Fall zuständig.«
Keine Reaktion von Curtis.
Chloe streckte eine Hand aus, ließ sie aber gleich wieder sinken, weil sie sich nicht überwinden konnte, Curtis anzufassen. »Mr Curtis, sehen Sie mich an.«
Langsam hob er den Kopf und starrte sie aus blutunterlaufenen Augen an. »Häh?«
Mühsam unterdrückte sie einen Seufzer. »Haben Sie meine Erklärung eben verstanden, Mr Curtis?«
»Welche?«
Mit kaum verhohlener Ungeduld erklärte sie ihm noch einmal seine derzeitige Situation. »Sie wurden wegen des Mordes an Ihrer Lebensgefährtin Candice Meadows verhaftet und werden höchstwahrscheinlich in absehbarer Zeit des Mordes angeklagt. Können Sie sich einen Verteidiger leisten?«
Sein Kopf bewegte sich schwankend von einer Seite zur anderen. »Nein, ich habe … derzeit keinen Job. Und da Candice nun …« Sein Gesicht verzerrte sich, aber sie konnte nicht erkennen, ob es Wut oder Schmerz war.
»Dann werde ich Sie vertreten, sollte es zu einem Prozess kommen. Auch bei Gesprächen mit der Polizei werde ich zugegen sein und Sie entsprechend beraten.«
»Okay.«
Die Dankbarkeit war geradezu überwältigend, dachte sie ironisch, aber das war Chloe schon von anderen Fällen gewohnt. Deshalb öffnete sie jetzt die Mappe und blickte auf den Bericht hinunter. »Haben Sie verstanden, was Ihnen vorgeworfen wird?« Als er nicht antwortete, fasste sie es noch einmal kurz zusammen. »Sie werden verdächtigt, Candice Meadows in der vorletzten Nacht brutal geschlagen, vergewaltigt und mit einem Messer wiederholt auf sie eingestochen zu haben. Mindestens einer der Messerstiche war tödlich.«
Sein Kinn wackelte verdächtig. »Das war ich nicht!«
Chloe verschränkte ihre Finger über der Akte. »Mr Curtis, Sie wurden direkt im Anschluss an die Tat in der Wohnung des Opfers schlafend im Wohnzimmer angetroffen, Ihre Kleidung war voller Blut. Das blutige Messer lag neben dem Sofa. Ihre Fingerabdrücke waren auf der Tatwaffe.«
Curtis rieb heftig mit den Händen über sein Gesicht. »Das kann nicht sein, ich war …« Er brach ab und ballte eine Hand zur Faust. Vorsichtshalber rückte Chloe ein Stück von ihm ab. Doch er beachtete sie gar nicht und schien völlig in dem gefangen zu sein, was in seinem Kopf vor sich ging. »Ich kann mich nicht mehr … erinnern. Aber ich bin mir fast sicher, dass ich gar nicht zu Hause war.«
Schweigend holte Chloe ein Foto heraus und legte es vor ihn hin. »Das sind doch Sie, oder?«
Lange betrachtete Curtis schweigend die Aufnahme, die von ihm in der Wohnung mitsamt der blutbespritzten Kleidung gemacht worden war. »Ja, aber …«
»Es gibt hier etliche Aussagen von den dort anwesenden Polizisten und Sanitätern, die Sie am Tatort gesehen haben.«
Sie legte ein Foto des Opfers daneben und beobachtete seine Reaktion eingehend. Seine sowieso schon blasse Gesichtsfarbe wurde noch grauer, seine Augen bewegten sich unruhig hin und her.
»Die Frage, die wir jetzt klären müssen, ist, an was Sie sich von dem Tag erinnern können. Wo Sie waren, was Sie gemacht haben, wann Sie nach Hause gekommen sind. Ob Sie etwas getrunken haben und wie viel. Ob Sie andere Substanzen zu sich genommen haben. Wenn Sie unzurechnungsfähig waren, kann uns das im Prozess helfen.« Der Gedanke hinterließ einen schalen Beigeschmack in ihrem Mund. Sie hielt nichts davon, sich herauszureden, weil man zu viel getrunken hatte. Ihrer Meinung nach war ein Täter deshalb genauso schuldig, als wenn er nüchtern gewesen wäre.
Curtis sprang auf und hieb mit der Faust auf den Tisch. »Ich erinnere mich aber an nichts, verdammt noch mal! Wenn du blöde Kuh das nicht kapierst, will ich einen anderen Anwalt!«
Obwohl ihr Herz hämmerte, schaffte Chloe es, ihre Stimme ruhig zu halten. »Sofern Sie sich keinen anderen Anwalt leisten können, was wir bereits geklärt
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