Hunter 05 - Späte Vergeltung
bisschen schneller gewesen wären … Nein, die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass Candice Meadows sofort nach dem Anruf gestorben war.
Zach lehnte sich angespannt vor, als eine männliche Stimme erklang, die sich als Jesse Curtis identifizierte. Seine Hand spannte sich um den USB -Stick an, den Chloe ihm gegeben hatte. Es war schon einige Zeit her, dass er mit Curtis gesprochen hatte, deshalb konnte er nicht genau sagen, ob hier derselbe Mann sprach. Aber Chloe hatte insofern recht, dass sich die Stimme auf keinen Fall betrunken anhörte. Die Wörter waren präzise, ohne verschluckte oder lang gezogene Silben. Wie konnte Curtis so sprechen, wenn sie ihn etwa zwanzig Minuten später mit zwei Komma fünf Promille Alkohol im Blut aufgefunden hatten?
Laut Zeugenaussagen war Candice Meadows erst höchstens eine Stunde zu Hause gewesen, bevor sie ermordet wurde. Curtis hätte also nach dem Mord gar nicht genug Zeit gehabt, um sich dermaßen zu betrinken. Und es blieb die Behauptung des Wirts bestehen, mit dem Chloe gesprochen hatte, dass Curtis stundenlang in dessen Kneipe gesessen und getrunken hatte. Hier passte eindeutig einiges nicht zusammen.
Mit zusammengebissenen Zähnen schob er den USB -Stick in seinen Computer und rief die Datei auf, die Curtis’ Sprachprobe enthielt. Schon nach den ersten Worten war klar, dass es nicht die Stimme des Verdächtigen war, die sich auf dem Band der Notrufzentrale befand. Natürlich könnte Curtis seine Stimme verstellt haben, aber das wäre durch einen Stimmenvergleich ganz einfach herauszufinden. Zach schickte die Datei von Curtis an den Techniker und bat ihn, die beiden Stimmen zu vergleichen.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Antwort kam. Es waren eindeutig zwei verschiedene Individuen, ohne jede Möglichkeit auf einen Irrtum. Was bedeutete, dass am Tatabend, ungefähr zur Tatzeit, ein anderer, unbekannter Mann in der Wohnung gewesen war. Das musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass Curtis nicht der Täter war, aber es warf zumindest einige Fragen auf. Auch hinsichtlich der anderen Beweise. Sein Instinkt meldete sich mit Nachdruck, und er fragte sich, ob er am Tatort etwas übersehen hatte. Andererseits war er nur kurz da gewesen und davon ausgegangen, dass seine Kollegen von der Mordkommission den Rest erledigen würden.
Wobei er ihnen keinen Vorwurf machen konnte, sie waren genau wie er davon ausgegangen, dass der bereits mehrfach wegen Tätlichkeiten gegen Frauen aufgefallene, am Tatort anwesende Mann der Täter war. Die Frage war nur, ob sie den wahren Täter – sollte Curtis tatsächlich unschuldig sein – jetzt überhaupt noch finden würden. Die Spur war mehrere Wochen nach der Tat eigentlich schon zu kalt. Diese Vorstellung ließ einen harten Knoten in seinem Magen entstehen. Wenn der Mörder noch eine Frau überfiel und umbrachte … Rasch schob Zach den Gedanken beiseite. Zuerst musste er herausfinden, ob Curtis der Täter war oder nicht. Erst dann würde er darüber nachdenken, wie sie ihren Fehler wiedergutmachen konnten.
Kurzentschlossen griff er nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer der Gerichtsmedizin. Zwar hatte er mit diesem Amt so gut wie nie etwas zu tun, weil er keine Mordfälle bearbeitete, aber den Gerichtsmediziner Caleb Black traf er regelmäßig beim Sport. Mittlerweile hatte sich eine lockere Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Mit etwas Glück war Caleb der für den Fall zuständige Pathologe und würde ihm sagen können, was er wissen wollte.
»Gerichtsmedizin, Andrews.«
»Hallo Ms Andrews, hier ist Detective Zach Murdock. Ist Dr. Black gerade zu sprechen?«
»Kleinen Moment, ich glaube, er steckt derzeit mit beiden Händen in einer Leiche. Ich rufe ihn.«
Zach verzog bei der anschaulichen Schilderung das Gesicht. Noch ein Grund, warum er nicht bei der Mordkommission war: Dann würde er regelmäßig bei Autopsien zuschauen müssen, und er wusste nicht, ob er dabei immer seinen Mageninhalt bei sich behalten würde.
»Black.«
»Hallo Caleb, hier ist Zach Murdock. Ich hoffe, ich halte dich nicht von einer wichtigen Autopsie ab.«
»Aber nein, das ist das Gute an Leichen: Sie können auch mal ein paar Minuten warten.«
Das
mochte er sich auch nicht näher vorstellen. Anscheinend waren alle Mitarbeiter der Gerichtsmedizin mit einer ordentlichen Portion schwarzem Humor gesegnet. Wahrscheinlich war das auch nötig in diesem Job, damit man die Dinge, die man täglich sah, nicht zu sehr an sich heranließ.
»Also, was
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