Hurra, die Lage wird ernst
schön ruhig hin und gucken ein bißchen, was es im Fernsehen gibt.«
Normalerweise bin ich ein notorischer
Fernsehhund. Ich sehe zwar nicht lange zu, aber dafür gerne, und ich könnte
mich vor Wut in den Schwanz beißen, wenn ich immer gerade dann einschlafe, wenn
es spannend wird. So könnte ich Ihnen wirklich nicht verraten, wer der
Halstuchmörder ist, wirklich nicht. Ich habe mich damals so tapfer gegen die
Müdigkeit gewehrt, aber als es schließlich so weit war, daß sie ihn bald
geschnappt hatten, muß ich wohl eingeduselt sein, und das bloß, weil Jordans
wieder mal zu stark geheizt hatten. Bei einer solchen Hitze im Zimmer kann man
ja unmöglich auf die Dauer die Augen offenhalten. Was ich eigentlich sagen
wollte, ist, daß ich, wie gesagt, normalerweise ein idealer Fernsehhund bin, an
diesem Abend aber auf solche zweitrangigen Genüsse verzichtete. Was bedeutete
schon die interessanteste Reportage gegen ein Schläfchen an Anjas Busen. Wer
hätte da nicht mit mir tauschen wollen?
Was gab es für Gefahren, in die ich
mich gerne gestürzt hätte, was gab es für Befehle aus Anjas Mund, die ich nicht
augenblicklich befolgen würde, wenn ich sicher sein konnte, am Abend eines
jeden Tages ein solches Plätzchen zu finden. Aber wie es immer ist im Leben,
jawohl, auch in einem Hundeleben, im schönsten Augenblick passiert irgend etwas
Idiotisches, was einen daran hindert, seinen Genuß zu verlängern.
So klingelte es in diesem Augenblick
an der Haustür. Wie von einer Schnur gezogen, sprang Anja von der Couch, ich
hinterher. Wer konnte das sein? Wir liefen die Treppe hinunter und blieben
abwartend hinter der Tür stehen. Schon wieder schrillte die Glocke.
»Wer ist da?« fragte Anja forsch,
obwohl sie nervös mit beiden Händen ihr Taschentuch zerwurstelte.
»Ich bin’s, mach auf, Anja!« rief
jemand von draußen. Freund oder Feind, das war hier die Frage. Ich tippte auf
Freund, denn Anja nestelte hastig den Hausschlüssel vom Schlüsselbrettchen, das
neben der Tür hing, und ließ den späten Besucher eintreten.
»Oliver! Wie kommst du denn hierher,
und das jetzt noch so spät?« rief sie erstaunt. Gleichzeitig begrüßte sie ihn
aber freudig, drückte herzlich die ihr entgegengestreckte Hand und half mit der
anderen sogar noch nach. Auch ich freute mich. Mein Schwanz bemühte sich
eifrig, es Oliver zu zeigen.
»Sind sie da?« fragte Oliver und
wies mit einem Kopfrucken gegen die Halle.
»Nein, du hast Glück, sie sind alle
weggefahren, um sieben Uhr schon.«
»Wieso Glück, vielleicht hätte ich
sie mir ganz gerne mal angesehen, so aus der Nähe, die vier Zeitgenossen.«
»Na hör mal«, Anja tat entrüstet.
»Und was glaubst du, was ich zu hören gekriegt hätte, wenn ich gleich am ersten
Abend mit einem Mann angekommen wäre?«
»Du bist vielleicht gut. Was soll
das heißen, du kannst doch Besuch empfangen, du bist doch hier nicht im
Gefängnis. Wer will dir denn das verbieten, und zehn Uhr haben wir noch längst
nicht.«
Anja schlug langsam den Weg zur
Halle ein.
»Du glaubst ja gar nicht, wie
biestig die Alte ist.«
»Nur die Lucas, oder die anderen
auch?« I
»Nein, nein, eigentlich nur die
Lucas. Die drei Männer habe ich kaum zu Gesicht gekriegt, nur heute mittag, als
ich das Essen servierte.«
Als Oliver die Halle betrat, staunte
er genauso, wie ich es getan hatte.
»Mensch, ist ja toll, ist ja ein
richtiges Luxushaus.«
»Ein Dienstmädchen wie ich achtet
eben auf eine repräsentative Umgebung«, scherzte Anja und steuerte auf die Treppe
zu. Wegweisend rannte ich voran, die beiden kamen langsam hinterher.
»Ideen hast du manchmal«, wunderte
sich Anja, als wir im Zimmer waren und die Tür hinter uns geschlossen war.
»Ich hatte keine Ruhe. Ich hab’ mir
wunder was vorgestellt, was euch beiden passiert sein könnte. Als ich im
Bericht hörte, daß die Lucas hier mit drei Kerlen hausen soll, hab’ ich mir
gedacht, jetzt fährst du am besten schnell mal hin und siehst nach, ob auch
alles o. k. ist. Ja, und da bin ich. Zugegeben, ein bißchen spät am Tage, aber
noch nicht zu spät, hoffe ich. Es ging beim besten Willen nicht früher. Bis
sechs Uhr hatte ich zu tun, und dann noch der weite Weg. Na, du weißt ja, wie
das ist.«
»Nun setz dich erst mal«, forderte
ihn Anja auf, was Oliver auch gehorsam tat.
»Viel anbieten kann ich dir
allerdings nicht. Auf Besuche bin ich noch nicht eingerichtet, und für meinen
eigenen Bedarf konnte ich noch nicht sorgen, das kommt erst später,
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