Hurra, die Lage wird ernst
lauschte angestrengt auf das, was das Kästchen nun
erzählte.
»Habe Bericht vom
sechsundzwanzigsten, siebenundzwanzigsten und achtundzwanzigsten erhalten«,
sagte Herrn Debrays Stimme, und dann ging es weiter: »Na also, wer sagt’s denn,
klappt doch großartig. Jetzt brauchen Sie nur noch die Dokumente zu schnappen,
dann ist der Fall ja schon fast gelöst.
Nein, aber im Ernst, ich bin
wirklich zufrieden bis jetzt. Bitte achten Sie darauf, daß Sie sich auf keinen
Fall verdächtig machen, die Leute können gefährlich sein. Am liebsten würde ich
versuchen, bei der Polizei herauszukriegen, ob ihnen die vier bekannt sind,
aber dazu brauche ich eine genaue Beschreibung. Bitte geben Sie die nächstens
gleich mit durch, für alle Fälle, Was Frau L. betrifft, so hat sie tatsächlich
erst zu der Zeit bei den Lord-Werken ihre Stellung angetreten, zu der sie auch
in die Bonner — «
Urplötzlich stand Frau Lucas in der
Tür.
»Was ist denn hier los, haben Sie
etwa Be — «, entgeistert starrte sie auf das Kästchen, das Anja geistesgegenwärtig
sofort abgestellt hatte, so daß die Worte, die nun folgen sollten, und die Frau
Lucas betrafen, unausgesprochen in dem Apparat zurückblieben. Anja erhob sich
langsam.
»Nein, ich habe keinen Besuch, wenn
Sie das meinen.«
»Aber die Männerstimme, ich habe
doch genau eine Männerstimme gehört.«
»Ach so, ja«, erklärte Anja, als
fiele es ihr gerade erst ein. »Ich habe kürzlich ein Hörspiel auf Band
aufgenommen, das wollte ich mir gerade noch einmal anhören.«
»Aha, und sonst haben Sie nichts zu
tun, als hier oben zu sitzen und einen solchen Unsinn zu verzapfen, während ich
im ganzen Hause herumrenne und Sie suche. Ist das Wohnzimmer fertig?«
»Jawohl, gnädige Frau«, sagte Anja
und packte ruhig das Corpus delicti, oder wie man das nennt, wieder weg. Ja,
sie bewahrte Haltung, und nicht einmal ich bemerkte auf Anhieb, daß es sich
dabei um eine Ruhe handelte, die einem Sturm vorauszugehen pflegte. Als sie mit
kleinen, wippenden Sprüngen die Treppe hinunterhüpfte, war ich erleichtert.
Ich brauchte nicht lange, um zu
erkennen, daß Anja irgend etwas im Schilde zu führen schien. Mit lauernden
Blicken verfolgte sie jeden Schritt der Lucas, beim Kartoffelschälen nagten
ihre Zähne ununterbrochen an der Unterlippe — ein sicheres Zeichen dafür, daß
sie angestrengt überlegte.
Als wir schließlich den Ort der
Handlung wechselten und Anja die verschiedenen Zimmer des Hauses aufräumte,
stellte ich fest, daß sie gründlicher vorging, als es den jeweiligen Bewohnern
lieb gewesen wäre. Frau Lucas konnte sie dabei nicht stören, sie hatte die
Badezimmertür hinter sich abgeschlossen, und nach kurzer Zeit hatten die
Geräusche eines platschenden Wasserstrahls angezeigt, was die Gnädige tat. So
kroch Anja ungestört in alle Ecken, hob Kissen an, öffnete Schubladen,
untersuchte deren Inhalt schnell, aber ohne eine Spur von Unordnung zu
verursachen und schickte zwischendurch immer mal wieder einen erkundenden Blick
zur Tür. Sie rollte Teppiche auf und faßte hinter Bücherreihen. Sie schien
entschlossen, so lange zu suchen, bis sie irgendein Beweisstück fand. Die Zeit
des geduldigen Wartens war, so schien es, endgültig vorbei. Auf ihrem Gesicht
lag ein Ausdruck wilder Unerschrockenheit. Anja war, wie ich es einmal
ausdrücken möchte, mit der Nase auf einer heißen Spur und sie würde sich, einem
Jagdhund gleich, nicht so schnell davon abbringen lassen. Mag sein, daß diese
Änderung der Taktik den herablassenden Worten der Lucas zuzuschreiben war, wer
weiß als Hund schon so genau, was in einem Menschenkopf vor sich geht? Ich
wußte nur, daß es unter solchen Umständen besser war, wenn ich in Anjas Nähe
blieb, wenigstens so lange, bis ihre nicht ganz ungefährliche Suchaktion für
diesen Tag abgeschlossen war. Ich war durchaus in der Lage, mir Situationen
vorzustellen, in denen sie meine Hilfe dringend benötigen würde. Die Vorsicht
der Kleinen ersetzt den Mut der Großen.
Zum Glück bewahrheiteten sich meine
Befürchtungen nicht, was ich als ein Zeichen dafür wertete, daß Anjas
Unternehmen unter einem glücklichen Stern stand, wenigstens was das Ausbleiben
von unangenehmen Überraschungen anbetraf. Von einem anderen Standpunkt aus
betrachtet, aber hatte sie sogar Pech, denn trotz Anjas gründlicher
Nachforschung, hatte sich nicht ein einziges Utensil gefunden, das es ihr wert
gewesen wäre, in ihrer Schürzentasche verstaut zu werden. Nicht die
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