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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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»Es ist schon
dunkel, und du warst noch gar nicht mit Anja spazieren.«
    Spazieren! Ich hörte nur noch
spazieren. Unter diesen Umständen mußten meine weiteren Überlegungen eben auf
einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Spazierengehen war jetzt erst
einmal viel wichtiger, da hatte Anja völlig recht.
    »Sie sind alle weg«, erklärte sie
mir. »Wir beide sind jetzt ganz allein. Und wenn wir wiederkommen von unserem
Ausgang, machen wir uns einen schönen Abend, was meinst du dazu?«
    Welche Frage, ich stand ja schon an
der Tür, und wenn ich mir meine Anja so ansah, wie sie munter und fröhlich,
trotz der vielen Arbeit, das Schürzchen abstreifte und eine Wolljacke überzog,
überlegte ich mir allen Ernstes, ob es nicht doch ratsam war, die Angelegenheit
mit der Couch weiter zu verfolgen.
    Es wurde ein schöner Spaziergang.
Die Abendluft war lau, das Gras duftete, und im Schutze der Dunkelheit hatte
ich sogar mehr als einmal Gelegenheit, mich auf den umliegenden Wiesen zu
tummeln, wenn die Zäune nicht gar so hoch waren. Wie ein anständiger Polizist
bei einem sympathischen Verkehrssünder, so tat Anja, als sähe sie meine
Verstöße gegen die bürgerliche Ordnung nicht. Sie ist ein großzügiger Mensch,
der auf dem Standpunkt steht: Leben und leben lassen. Ich war stolz, daß ich
sie kannte.
    Schlau, wie wir beide waren,
vermieden wir es sorgfältig, am Nachbargrundstück vorbeizuflanieren. Was hätte
unser plattfüßiger Gartennachbar wohl gesagt, wenn er erfahren hätte, daß wir
bei diesem amoralischen Volk in Brot und Diensten standen? Anja war ein kluges
Frauchen. Auch sie hatte gewiß an diese Möglichkeit gedacht, denn als wir
zurückkamen, äugte sie vorsichtig um einen niedrigen Baum, der an der Ecke
unseres Hauses stand, wahrscheinlich um festzustellen, ob uns der Gärtner auch
wirklich nicht gesehen hatte.
    Was würde sie wohl alles
unternehmen, wenn sie auch nur einen Bruchteil von dem wüßte, was mir zu Ohren
gekommen war, und was erst, wenn sie aufgrund dessen zu derselben
Schlußfolgerung wie ich gelangt wäre? Die Polizei benachrichtigen, Herrn Debray
anrufen, Verfolgung auf eigene Faust aufnehmen, das alles waren Möglichkeiten,
wie man den Plan der abwesenden Bande vereiteln konnte.
    Auf den Beginn des versprochenen
»schönen Abends« mußte ich allerdings noch eine Zeitlang warten, und es fiel
mir nicht einmal schwer. Nicht, daß Anja die Lust verloren hätte, nein, sie
mußte nur noch schnell ein Problem lösen. Sie öffnete die Kleiderschranktür,
und im ersten Moment dachte ich: Aha, der Bericht. Aber dann sah ich, daß ein
ganzer Haufen Papier, zusammengeknülltes und zerrissenes Papier, unter den
Rocksäumen hervorquoll, und schon war mir klar, woher er stammte.
    Sie kramte alles heraus, auch das
kleinste Stückchen, legte die ganze Beute auf den Tisch und begab sich dann
daran, sie vorsichtig zu sortieren. Die zusammengeknüllten Blätter strich sie
mit der Hand wieder glatt und legte sie aufeinander, die Schnipsel räumte sie
alle auf eine Tischdecke. Gespannt sah ich ihr dabei zu, verfolgte jeden
Handgriff, als könnte es sich nur noch um Sekunden handeln, bis die Entdeckung,
auf die sie ja offensichtlich aus war und die auch ich erwartete, gemacht war.
Aber weit gefehlt. Nachdem sie die einzelnen Blätter gelesen hatte, nachdem sie
sich einen weißen Briefbogen herausgeholt und einzelne Stückchen darauf
nebeneinandergelegt, wieder verschoben und nochmals anders zusammengefügt
hatte, dauerte es mindestens noch eine halbe Stunde, bis sie mit hochroten
Wangen von ihrem Werk aufblickte und erleichtert seufzte:
    »Geschafft! Schuftel, wir haben es
geschafft. Wir kommen ihnen langsam, aber sicher auf die Schliche.«
    Das freute mich zwar sehr, aber nun
hätte ich auch gerne Näheres gewußt. Die ganze Zeit hatte ich geduldig
gewartet, aber Auskunft gab mir Anja noch nicht.
    Was blieb mir da trotz meiner
übergroßen und nicht zuletzt auch berechtigten Neugier übrig, als auf den
Bericht an Debray zu warten. Ihm würde sie es ganz bestimmt mitteilen.
    Anja war ganz aufgeregt. Es ging ihr
gar nicht schnell genug, bis sie das Apparätchen ausgepackt hatte, bis sie den
Stab aufgestellt und die Knöpfe und Tasten richtig eingestellt hatte.
    »Bericht vom neunundzwanzigsten
Juli. Heute morgen um acht Uhr fing mein Dienst an. Leider ist im Augenblick
noch nicht zu übersehen, wie lange ich hier zu tun haben werde, um das
gewünschte Ergebnis zu erzielen. Im Moment steht nur fest, daß

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