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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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Sekund’ sein’ Runden dreht. Die Hauptsach’ is, er jeht
überhaupt mal weg von der Tür.«
    »Hoffentlich bringt Bully wenigstens
heute den Schneidbrenner an, sonst können wir am besten gleich einpacken. Wenn
morgen früh nicht alles komplett und geregelt ist, überlege ich mir noch, ob
wir die Sache nicht lieber verschieben.«
    »Du bist wohl verrückt?«
protestierte Jo mit weit aufgerissenen Augen, »dat kannste doch nit machen. Der
Bully schleppt dat Ding schon an, dat wirste gleich sehen, un dat der blöde
Kerl von Nachtwächter sein’ Runden en bißchen anders dreht als vorjesehen, is
schließlich kein Beinbruch. Ich jlaub’ et dir, all die Vorbereitungen, all die
Monate, all die Arbeit, und dat alles für de Katz? Nä, wirklich, du mußt en
Luftloch im Jehirn haben.«
    »Laß uns erst mal abwarten, was
Bully erreicht, dann können wir uns immer noch entscheiden«, sagte Eddie mit
leidender Miene, erhob sich, schüttelte die Krümel von der Hose und verschwand
durch die Tür. Ich steuerte gerade meinen Stammplatz, den Fußabtreter an der
Balkontür, wieder an, als mich Jo entdeckte.
    »Ja, da is ja der kleine Fippemann
wieder«, freute er sich. »Na, dann komm mal her bei der Onkel.« Heute konnte er
sich wenigstens bücken und mir seine Hand hinstrecken, ohne sich stöhnend an
den Kopf fassen zu müssen. Der Dialekt, den er sprach, war meinen Ohren nicht
fremd, irgendwann mußte mal jemand im Fernsehen so ähnlich gesprochen haben.
Wenn ich mich nicht irre, war das so ein beschnäuzerter Großer, Korpulenter.
Molliwitsch oder so ähnlich muß er heißen. Mein Glück, daß ich Jo verstand, denn
mein Verstand sagte mir, daß ich in diesem Hause, in dem auch Bully seine
Runden drehte, nie genug Freunde haben konnte. Wer weiß, vielleicht war ich
einmal auf Jos freundliche Zuneigung angewiesen.
    Deshalb zwang ich mich auch, seiner
Aufforderung nachzukommen. Ganz langsam zwar nur, denn eigentlich hatte er mir
ja nichts zu befehlen, aber immerhin noch schnell genug, daß er nicht
ungeduldig wurde.
    Als ich ihn fast erreicht hatte,
machte ich mich ganz lang. Wenn er mich auch offensichtlich gut leiden mochte,
eine zwielichtige Type war er schließlich trotzdem. Darum schickte ich zuerst
meine Nase aus, um Erkundigungen über ihn einzuholen, und erst als das Ergebnis
nicht gar zu schlecht ausfiel, ließ ich meinen restlichen Körper folgen.
    »Na, komm schon, der Onkel Jo tut
dir doch nix«, krächzte er und zerzauste mir ordentlich den Pelz. Rauh, aber
herzlich und mit einer ungehobelten Männerhand, zu der die Bezeichnung sensibel
so gar nicht zu passen schien. Er spielte so lange mit mir herum, bis ihm die
Kniekehlen steif wurden, erst dann richtete er sich ächzend auf und
verabschiedete sich.
    Hätte nicht der Postbote einen
verdächtig dicken Brief für uns mitgebracht, wäre dieser Morgen im ganzen
ziemlich ereignislos vorübergegangen, so aber bahnten sich, da ich den Inhalt
des Briefes erriet, wieder aufregende Neuigkeiten an.
    Ich muß zugeben, daß Anja heute
nicht so arg schuften mußte wie am Tag vorher. Bis jetzt war es bei
Staubwischen geblieben und bei dem, was eine Hausfee sonst noch so an Kleinigkeiten
zu tun hat. Daß die Arbeit für sie längst nicht so anstrengend war wie gestern,
merkte ich schon daran, daß Anja beim Bohnern die Verhaltensweise bestimmter
Mineralien besang. »Marmor, Stein und Eisen bricht...« ertönte es in
strahlendem Fortissimo, was doch wirklich auf gute Laune schließen ließ. Kann
auch sein, daß ihr Oliver durch seinen gestrigen Besuch wieder neuen Mut
gemacht hatte, daß sein Lob sie beflügelte, was weiß ich.
    Als alle in ihren Zimmern zu sein
schienen, nützte Anja die günstige Minute und sagte zu mir: »Komm, Schuftel.«
    Gemeinsam liefen wir die Treppen
hinauf in unser Zimmer. Sie fischte den Brief aus der Schürzentasche riß ihn
auf und zog tatsächlich, wie ich vermutet hatte, eine flache Scheibe daraus
hervor. Den Briefumschlag verbrannte sie sofort im Aschenbecher, erst dann
holte sie unseren Sprechapparat heraus und setzte die Scheibe ein. Ich konnte
ihr ansehen, daß sie genauso gespannt war wie ich. Es war schließlich
hochinteressant, zu erfahren, was der Meister persönlich zu der ganzen
Angelegenheit zu sagen hatte. Leider konnte er sich zu Anjas
Telegramm-Entdeckung noch nicht äußern, denn von der hatte er ja erst gestern
spät abends erfahren, wenn nicht gar erst heute morgen.
    Ich hockte ganz nah neben Anja,
machte meine Ohren steif und

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