Hurra, wir leben noch
wirst du staunen! Und überhaupt! Wie viele Neger werden von den Weißen vergöttert? Duke Ellington! Lena Horne, die Schauspielerin und Sängerin! Paul Robeson, auch ein Schauspieler! Joe Louis! Doktor Drew, der große Mediziner!«
»Das sind nicht sehr viele, Jesus!«
»Ich kann dir noch ein paar Dutzend andere nennen!«
»Ein paar Dutzend andere sind auch noch nicht sehr viel, Jesus.« Jakob faßte seinen Freund bei der Hand. »Paß auf, mein Alter. Ich bin über den Highway elf hergekommen. Bei der Ortseinfahrt habe ich die vielen Tafeln und Schilder gesehen. Die sieht man überall, ich weiß. Immer heißt es ›Welcome to‹ oder ›Home of‹. Jede Stadt in Amerika ist das ›Heim‹ von irgend etwas. Von Käse. Von Wurst. Von einer Automarke. Einem bestimmten Whiskey. Das meine ich nicht.
Eine
Tafel habe ich gelesen, Jesus,
eine
Tafel, bei der hat mir der Atem gestockt. Es war ein großes Ding, und darauf gemalt war ein vermummter Reiter in Weiß, und darüber hat gestanden: ›Welcome to Tuscaloosa, Home of the Ku-Klux-Klan!‹ Der Ku-Klux-Klan hat hier sein Hauptquartier, Jesus! Und das weißt du doch, Mensch! Und du bist doch ein Schwarzer! Ich flehe dich an, verkauf alles und geh nach Norden, bevor es zu spät ist!«
Jesus schüttelte den Kopf. »Dir sitzen noch die Nazis in den Knochen, Jake. Ku-Klux-Klan. Na schön. Aber es gibt auch noch die Polizei und die National Guard und Washington und Gesetze, und ich sage dir, wenn die Wahlen erst vorbei sind, wenn Dewey erst gewonnen hat, dann ist hier Schluß mit dem Ku-Klux-Klan! Dewey räumt auf! Der läßt den Ku-Klux-Klan niemals zu!«
»Und wer sagt dir, daß Dewey gewinnt?«
»Jeder, mit dem du sprichst, Jake! Das ist sicher. Absolut sicher! Mit Truman ist es aus. Alle großen Meinungsforscher sagen das. Das Gallup-Institut! Kommentatoren von Walter Lippmann bis Dorothy Thompson! Der Sieger heißt Dewey! Du kannst darauf wetten! Und wenn erst Dewey da ist, dann wird hier alles genauso wie im Norden, dann gibt es keine Rassendiskriminierung mehr, keinen Ku-Klux-Klan! Und wegen der paar Tage soll ich noch daran denken, wegzuziehen?«
»Tja, wenn ihr so an Dewey glaubt …«
»Er hat ein Herz für die Schwarzen. Er haßt jede Ungerechtigkeit.«
»Woher weißt du das?«
»Das sagt er jeden Tag, und jeden Tag hält er zehn Reden! Die beiden reisen durchs Land, weißt du, der Truman und der Dewey, seit über einem Monat. Ich vertraue Dewey. Wir alle hier vertrauen Dewey!«
Jakob gab es auf.
»Ja dann … Was hast du vorhin gesagt?« In seinem Kopf arbeitete es schon wieder. »Man kann darauf wetten?«
»In diesem Land kannst du auf alles wetten, Jake! Auf Truman wetten ist reiner Wahnsinn. Auf Dewey mußt du schon sehr hoch setzen, denn die Quoten werden niedrig sein. Das heißt: Ich müßte für dich setzen! Weil ich Amerikaner bin. Du darfst nicht. Ich müßte mit dir zu einem Buchmacher nach Phoenix fahren. Da kriegst du ein Formular und füllst es aus, und es wird verschlossen, und mein Name mit meiner Adresse kommt drauf, ich kriege den Kontrollschein, und du zahlst das Geld ein. Du kommst doch jetzt bestimmt bald wieder in die Staaten …«
»Da kannst du Gift drauf nehmen, Jesus.«
»… und dann habe ich das Geld schon für dich! Wie gesagt aber: Bei einem so sicheren Sieg von Dewey mußt du schon was ausspucken, damit bei der niederen Quote überhaupt noch was rauskommt!«
92
In der Nacht des 2. zum 3. November 1948 flog Jakob vom ›La Guardia‹-Flughafen in New York zurück nach Frankfurt. Mit ihm flog des Plastic-Experte von ›Atkinson’s Plastics‹, Dr. Addams Jones, ein smarter, gutaussehender junger Herr. Er stand nun bei Jakob unter Vertrag.
Zwischen Gander und Shannon kam der Copilot aus dem Cockpit und sagte etwas zu einem Mann, der in der ersten Reihe saß. Der sagte es seinem Nachbarn. Der Nachbar sagte es der Dame, die hinter ihm saß. In drei Minuten wußte das ganze Flugzeug Bescheid. Angenehm warm fühlte Jakob sich – wie stets in solchen Situationen. Die Piloten hatten über Funk Nachricht vom Ausgang der amerikanischen Wahlen erhalten. Der war eine einzige Sensation! Die Passagiere betrugen sich wie irre. Nur Jakob nicht. Jakob saß ganz still und summte ein kleines Liedchen vor sich hin. Entgegen den Voraussagen aller Meinungsforschungsinstitute, entgegen den Prognosen der berühmtesten politischen Kommentatoren war nicht Dewey Sieger der Wahl – sondern Harry S. Truman!
Na ja, dachte Jakob, so ein
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