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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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sind wir weit über der Halbmillionengrenze. Wir arbeiten nicht länger in der Ruine. Ich habe ein Haus am Karolinenplatz gekauft, das stehengeblieben ist. Einem Schieber hat es gehört, der nach der Währungsreform plötzlich am Ende war und unbedingt weg wollte aus München. Vielleicht nach Frankfurt, wo es noch ein bißchen zu schieben gab. Zwei Millionen D-Mark hat er verlangt für das Riesenhaus. Die habe ich anstandslos als Kredit von der Bank bekommen. Wohnungen für die wichtigsten Mitarbeiter habe ich gekauft. Ich schlafe im Redaktionsgebäude. Zwei Zimmer mit Küche habe ich da. Mir genügt’s! Was soll ich mit mehr? Das Pentagon-Geschäft ist fast abgewickelt. Ingenieur Jaschke macht draußen in Murnau Überschichten mit seinen Leuten. Natürlich hat er auch eine Wohnung gefunden und braucht kein Bootshaus mehr. Der Attinger-Bauer hat das Geschäft seines Lebens mit den Klo-Muscheln und Waschbecken gemacht. Alle haben sie ihr Geschäft gemacht. Und machen es weiter!
    Der Plastics-Mann, dieser Dr. Addams Jones, den ich in den USA eingekauft habe, der baut drei Werke zur gleichen Zeit aus Ruinen auf! Ein toller Bursche! Glänzend deutsch spricht er. Aber eine Villa an der Elbchaussee in Hamburg habe ich für ihn mieten müssen. Er hat einfach darauf bestanden. Und auf einem VW . Und auf einem Diener. Und … dieser Kerl verlangt dauernd was Neues, mit dem werde ich noch Ärger kriegen, das spüre ich! Und dabei ist er so ein toller Kerl …
    Trotzdem, es ist einfach nicht zu fassen, daß mich der Bau aller dieser Werke nicht nur nichts kostet, sondern daß ich daran sogar verdiene! Selber wäre ich nie draufgekommen. Aber der Franzl! Ach, der Franzl …

95
    Der Franzl sagte unmittelbar nach Jakobs Rückkehr aus den Vereinigten Staaten, eine dicke Havanna rauchend, noch fetter geworden, in der Ruinen-Redaktion von OKAY eines Nachts zu Jakob: »Ist dir eigentlich klar, daß du jetzt bauen mußt, bauen, bauen wie ein Verrückter, mein Bester?«
    »Soviel Geld, wie ich für alle meine Werke brauche, gibt mir keine Bank, mein Lieber«, sagte Jakob beklommen.
    »Stimmt«, sagte Franzl heiter. »Die einfachste Lösung in deiner Lage ist die Selbstfinanzierung von neuen Unternehmen. Und zwar eine Selbstfinanzierung über die Preise und über die Steuer.«
    »Was für Preise?«
    »Deine natürlich, du Rindvieh! Die Illustrierte
darf
nicht mehr kosten … Die brauchen wir stabil, um die Bankkredite zurückzuzahlen … Aber die Eier, Jakob! Die Fertigbauhäuser! Die, die du für Deutschland baust! Das muß jetzt alles einfach teurer werden, kapierst du?«
    »Nein.«
    »Gott, gib mir Geduld«, flehte Franzl. »Was wir jetzt nach der Währungsreform haben, das ist ein sogenannter Verkäufermarkt. Wie es so geht im menschlichen Leben. Auf einem solchen Markt ist nicht der Kunde der König, sondern der Verkäufer! Wegen der großen Knappheit kannst du jetzt deine Preise diktieren. Motto: Friß, Vogel, oder stirb. Er wird schon fressen.«
    »Ach so …«
    »Gar nichts mit ach so! Das war erst die Einleitung! Junge, Junge, alles muß ich für dich tun! Schau: Es gibt in der Bi-Zone so etwas wie eine zentrale Wirtschaftspolitik – davon hast du natürlich auch noch nie gehört –, deren oberstes Ziel ist es – und muß es sein! –, einen raschen Ausbau und Aufbau – Aufbau, hab’ ich gesagt! – der Produktionskapazitäten zu fördern. Na, und das tut sie.«
    »Da hab’ ich aber noch nichts von gemerkt, mein Lieber«, sagte Jakob unschuldig.
    »Hast du schon deine Steuererklärung abgegeben?«
    »Nein.«
    »Drum!« Der schwere Franzl schüttelte erschüttert von soviel Unverstand seinen dicken Quadratschädel. »Der Staat gewährt allen Unternehmen hohe Steuervergünstigungen für Investitionen. Du, als Unternehmer, kannst Riesenbeträge abschreiben. Das ist das Beste und Wirkungsvollste. Und besonders beliebt.«
    »Ja, aber …«
    »Aber was?«
    »Aber … Schau mich nicht so bös an, Franzl … Aber ist das nicht sehr unsozial?«
    »Unsozial? Inwiefern?«
    »Na ja, ich meine: Ich, ich habe zufällig Werke und Sachkapital. Die meisten Menschen haben das nicht. Die kriegen keine Steuervergünstigungen, die armen Hunde …«
    »Verflucht«, schrie Franzl, »mach’ mich nicht wahnsinnig! Die armen Hunde müssen in Unternehmen arbeiten, nicht wahr? Dazu müssen aber erst Unternehmen dasein, nicht wahr? Dazu mußt du sie erst bauen, nicht wahr?«
    »Ja, wenn man es so sieht«, murmelte

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