Hurra, wir leben noch
Jakob.
»Besonders beliebt ist die Methode, weil bei den Abschreibungen – im Gegensatz zum Beispiel dazu, wenn man dich subventionieren würde – verborgen bleibt, welche Summen du für dich behältst!«
Der Franzl, dachte Jakob, über die nächtliche Autobahn Berlin entgegenrasend, träumerisch. Ach ja, der Franzl …
Das war vielleicht ein Trick!
So hat er funktioniert: Bei der Ermittlung des Jahresgewinns darf ich als Unternehmer und Besitzer einer Fabrik auch die zum Teil ›unsichtbaren‹ Kosten berücksichtigen. Also zum Beispiel Wertminderung und Verschleiß der Anlagen, die ich zur Produktion brauche. Das ist noch verständlich. Da man diese Wertminderung von der Steuer her aber niemals einschätzen kann, tut es die liebe Steuer auch nicht, sondern überläßt das mir, dem Besitzer! Und erkennt die Summen, die ich nenne – ohne Widerspruch an! Was war das? Einen Hasen überfahren werde ich haben. (Gott, mein geliebter Hase, meine über alles geliebte Julia in Theresienkron! Noch immer war ich nicht bei ihr! Die Geschäfte fressen mich auf. Jetzt, gleich wenn Berlin vorbei ist, fahre ich aber zu Julia. Bestimmt!) Wo war ich? Ach ja: ohne Widerspruch! Ich kann also meine Abschreibungen in irrsinnige Höhen treiben, und der Staat sagt kein Wort dazu. Das heißt: einen einigermaßen richtigen Staat, eine einigermaßen richtige Regierung haben wir ja überhaupt bloß in den Ländern. Im Freistaat Bayern. In Niedersachsen. In Württemberg-Hohenzollern. In Württemberg-Baden, und in Baden ohne Württemberg auch noch. Und dann haben wir noch einen ›Parlamentarischen Rat‹. In Bonn. Der soll eine neue Verfassung machen. Und die Staaten in den Ländern haben Regierungen. Und die Regierungen haben Kindermädchen. Das sind die Westalliierten. Die passen schön auf.
Immerhin: Arbeiten tun die Regierungen in den Ländern schon. Besonders auf den Gebieten, die mich interessieren. Auf dem Gebiet der Steuer zum Beispiel …
Ach, glorreicher, wunderbarer Franzl!
Ich habe also meine Abschreibungen abgesetzt in einer Höhe, die fast bis zum Himmel gereicht hat – und das Finanzamt hat keinen Mucks gemacht. Nicht einen einzigen! Dadurch war mein angeblicher ›Gewinn‹ sehr, sehr klein geworden. Obwohl er irrsinnig hoch war! Und nur für den klitzekleinen ›Gewinn‹ habe ich Steuern zahlen müssen …
Na, und so ist mir mein Geld geblieben, und ich habe damit die neuen Werke aufbauen können.
Verdient
habe ich daran, daß ich angeblich
verloren
habe. Meine Eierfarmen und Fertighausfabriken werden mir schon im ersten kompletten Steuerjahr, weil sie Sachkapital sind, mehr als eine Viertelmillion D-Mark einbringen. Dazu habe ich die Preise erhöht! Noch mehr Geld! Also, ich darf mich wirklich nicht beklagen. Das kann doch eben nicht schon der zweite Hase gewesen sein!
Unsinn, diese Autobahn ist kaputt, aber mächtig. Schlagloch nach Schlagloch. Und ich immer feste rein. Krach! Hoffentlich hält der Porsche das alles aus. Mein Porsche. Der erste Porsche, den es überhaupt gibt in Deutschland. Klar, daß ich den haben mußte! War ganz einfach, ihn zu kriegen. Das Volkswagenwerk hat wieder zu produzieren begonnen. Und dann hat der Porsche angefangen. Na ja, und wir haben schon eine ›Auto-Test‹-Seite in OKAY . Schreibt natürlich auch der Schreiber. Es gibt doch nichts, was der nicht schreibt, der alte Säufer, Gott erhalte ihm seine Leber. Jetzt, wo das Geld was wert ist, sind die Menschen anders geworden. Sie achten auf ihr gutes Geld. ›Marktbewußt‹ heißt das Wort. Marktbewußter sind alle geworden. Das habe ich den Herren von Porsche auch gesagt. Und das mit unserem ›Autotest‹ – und im Handumdrehen hatte ich meinen Porsche. Der Test ist aber auch ausgezeichnet ausgefallen …
96
»Was ist los?« Jakob fuhr aus tiefen Träumereien auf.
»Berlin, Che … Chef«, sagte Schreiber.
»Tatsächlich? Das ging aber schnell … Mensch, wird das hell da vorne beim Kontrollpunkt!« rief Jakob. »Langsam … Ich muß doch sehen, ob der Senkmann schon … Gott sei Dank, ja! Schauen Sie sich an, was sich da tut, Schreiber!«
Der sprach in sein Handmikrofon: »Tau … Tausende von Berlinern … La … Lachen … Winken … Ein Wa … Wagen nach dem andern p … passiert die Sperren, die alle geöffnet sind … Wir … eh … Moment … wir werden gerade von hü … hübschen Mädchen geküßt, die die K … Köpfe in die Wagenfenster stecken … Wieder F … Flieder … Kla …
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